Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

fernerer Mittheilung. Nachts, als wir uns
schon getrennt und in die Schlafzimmer zu¬
rückgezogen hatten, suchte ich ihn nochmals
auf. Der Mondschein zitterte über dem brei¬
ten Rheine, und wir, am Fenster stehend,
schwelgten in der Fülle des Hin- und Wie¬
dergebens, das in jener herrlichen Zeit der
Entfaltung so reichlich aufquillt.

Doch wüßte ich von jenem Unaussprechli¬
chen gegenwärtig keine Rechenschaft zu lie¬
fern; deutlicher ist mir eine Fahrt nach dem
Jagdschlosse Bensberg, das, auf der rech¬
ten Seite des Rheins gelegen, der herrlich¬
sten Aussicht genoß. Was mich daselbst über
die Maßen entzückte, waren die Wandverzie¬
rungen durch Weenix. Wohlgeordnet la¬
gen alle Thiere, welche die Jagd nur liefern
kann, rings umher wie auf dem Sockel ei¬
ner großen Säulenhalle; über sie hinaus sah
man in eine weite Landschaft. Jene entleb¬

fernerer Mittheilung. Nachts, als wir uns
ſchon getrennt und in die Schlafzimmer zu¬
ruͤckgezogen hatten, ſuchte ich ihn nochmals
auf. Der Mondſchein zitterte uͤber dem brei¬
ten Rheine, und wir, am Fenſter ſtehend,
ſchwelgten in der Fuͤlle des Hin- und Wie¬
dergebens, das in jener herrlichen Zeit der
Entfaltung ſo reichlich aufquillt.

Doch wuͤßte ich von jenem Unausſprechli¬
chen gegenwaͤrtig keine Rechenſchaft zu lie¬
fern; deutlicher iſt mir eine Fahrt nach dem
Jagdſchloſſe Bensberg, das, auf der rech¬
ten Seite des Rheins gelegen, der herrlich¬
ſten Ausſicht genoß. Was mich daſelbſt uͤber
die Maßen entzuͤckte, waren die Wandverzie¬
rungen durch Weenix. Wohlgeordnet la¬
gen alle Thiere, welche die Jagd nur liefern
kann, rings umher wie auf dem Sockel ei¬
ner großen Saͤulenhalle; uͤber ſie hinaus ſah
man in eine weite Landſchaft. Jene entleb¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0452" n="444"/>
fernerer Mittheilung. Nachts, als wir uns<lb/>
&#x017F;chon getrennt und in die Schlafzimmer zu¬<lb/>
ru&#x0364;ckgezogen hatten, &#x017F;uchte ich ihn nochmals<lb/>
auf. Der Mond&#x017F;chein zitterte u&#x0364;ber dem brei¬<lb/>
ten Rheine, und wir, am Fen&#x017F;ter &#x017F;tehend,<lb/>
&#x017F;chwelgten in der Fu&#x0364;lle des Hin- und Wie¬<lb/>
dergebens, das in jener herrlichen Zeit der<lb/>
Entfaltung &#x017F;o reichlich aufquillt.</p><lb/>
        <p>Doch wu&#x0364;ßte ich von jenem Unaus&#x017F;prechli¬<lb/>
chen gegenwa&#x0364;rtig keine Rechen&#x017F;chaft zu lie¬<lb/>
fern; deutlicher i&#x017F;t mir eine Fahrt nach dem<lb/>
Jagd&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">Bensberg</hi>, das, auf der rech¬<lb/>
ten Seite des Rheins gelegen, der herrlich¬<lb/>
&#x017F;ten Aus&#x017F;icht genoß. Was mich da&#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
die Maßen entzu&#x0364;ckte, waren die Wandverzie¬<lb/>
rungen durch <hi rendition="#g">Weenix</hi>. Wohlgeordnet la¬<lb/>
gen alle Thiere, welche die Jagd nur liefern<lb/>
kann, rings umher wie auf dem Sockel ei¬<lb/>
ner großen Sa&#x0364;ulenhalle; u&#x0364;ber &#x017F;ie hinaus &#x017F;ah<lb/>
man in eine weite Land&#x017F;chaft. Jene entleb¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0452] fernerer Mittheilung. Nachts, als wir uns ſchon getrennt und in die Schlafzimmer zu¬ ruͤckgezogen hatten, ſuchte ich ihn nochmals auf. Der Mondſchein zitterte uͤber dem brei¬ ten Rheine, und wir, am Fenſter ſtehend, ſchwelgten in der Fuͤlle des Hin- und Wie¬ dergebens, das in jener herrlichen Zeit der Entfaltung ſo reichlich aufquillt. Doch wuͤßte ich von jenem Unausſprechli¬ chen gegenwaͤrtig keine Rechenſchaft zu lie¬ fern; deutlicher iſt mir eine Fahrt nach dem Jagdſchloſſe Bensberg, das, auf der rech¬ ten Seite des Rheins gelegen, der herrlich¬ ſten Ausſicht genoß. Was mich daſelbſt uͤber die Maßen entzuͤckte, waren die Wandverzie¬ rungen durch Weenix. Wohlgeordnet la¬ gen alle Thiere, welche die Jagd nur liefern kann, rings umher wie auf dem Sockel ei¬ ner großen Saͤulenhalle; uͤber ſie hinaus ſah man in eine weite Landſchaft. Jene entleb¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/452
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/452>, abgerufen am 10.05.2024.