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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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mehr als die Gegenstände selbst zerstreuten,
da in der wirklichen Welt doch immer nur
das Mögliche beysammensteht, und sie des¬
halb, ungeachtet aller Mannigfaltigkeit und
scheinbarer Verwirrung, immer noch in allen
ihren Theilen etwas Geregeltes hat. Jenes
Elementarwerk hingegen zersplittert sie ganz
und gar, indem das was in der Weltan¬
schauung keineswegs zusammentrifft, um der
Verwandtschaft der Begriffe willen neben ein¬
ander steht; weswegen es auch jener sinnlich¬
methodischen Vorzüge ermangelt, die wir ähn¬
lichen Arbeiten des Amos Comenius zu¬
erkennen müssen.

Viel wunderbarer jedoch, und schwerer zu
begreifen als seine Lehre, war Basedow's
Betragen. Er hatte bey dieser Reise die Ab¬
sicht, das Publicum durch seine Persönlich¬
keit für sein philanthropisches Unternehmen zu
gewinnen, und zwar nicht etwa die Gemü¬
ther, sondern geradezu die Beutel aufzuschlie¬

III. 27

mehr als die Gegenſtaͤnde ſelbſt zerſtreuten,
da in der wirklichen Welt doch immer nur
das Moͤgliche beyſammenſteht, und ſie des¬
halb, ungeachtet aller Mannigfaltigkeit und
ſcheinbarer Verwirrung, immer noch in allen
ihren Theilen etwas Geregeltes hat. Jenes
Elementarwerk hingegen zerſplittert ſie ganz
und gar, indem das was in der Weltan¬
ſchauung keineswegs zuſammentrifft, um der
Verwandtſchaft der Begriffe willen neben ein¬
ander ſteht; weswegen es auch jener ſinnlich¬
methodiſchen Vorzuͤge ermangelt, die wir aͤhn¬
lichen Arbeiten des Amos Comenius zu¬
erkennen muͤſſen.

Viel wunderbarer jedoch, und ſchwerer zu
begreifen als ſeine Lehre, war Baſedow's
Betragen. Er hatte bey dieſer Reiſe die Ab¬
ſicht, das Publicum durch ſeine Perſoͤnlich¬
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III. 27
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[417/0425] mehr als die Gegenſtaͤnde ſelbſt zerſtreuten, da in der wirklichen Welt doch immer nur das Moͤgliche beyſammenſteht, und ſie des¬ halb, ungeachtet aller Mannigfaltigkeit und ſcheinbarer Verwirrung, immer noch in allen ihren Theilen etwas Geregeltes hat. Jenes Elementarwerk hingegen zerſplittert ſie ganz und gar, indem das was in der Weltan¬ ſchauung keineswegs zuſammentrifft, um der Verwandtſchaft der Begriffe willen neben ein¬ ander ſteht; weswegen es auch jener ſinnlich¬ methodiſchen Vorzuͤge ermangelt, die wir aͤhn¬ lichen Arbeiten des Amos Comenius zu¬ erkennen muͤſſen. Viel wunderbarer jedoch, und ſchwerer zu begreifen als ſeine Lehre, war Baſedow's Betragen. Er hatte bey dieſer Reiſe die Ab¬ ſicht, das Publicum durch ſeine Perſoͤnlich¬ keit fuͤr ſein philanthropiſches Unternehmen zu gewinnen, und zwar nicht etwa die Gemuͤ¬ ther, ſondern geradezu die Beutel aufzuſchlie¬ III. 27

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/425>, abgerufen am 27.11.2024.