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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Auch Basedow ward in Frankfurt sehr ge¬
sucht, und seine großen Geistesgaben bewun¬
dert; allein er war nicht der Mann, weder
die Gemüther zu erbauen, noch zu lenken.
Ihm war einzig darum zu thun, jenes große
Feld, das er sich bezeichnet hatte, besser an¬
zubauen, damit die Menschheit künftig be¬
quemer und naturgemäßer darin ihre Woh¬
nung nehmen sollte; und auf diesen Zweck
eilte er nur allzu gerade los.

Mit seinen Planen konnte ich mich nicht
befreunden, ja mir nicht einmal seine Absich¬
ten deutlich machen. Daß er allen Unter¬
richt lebendig und naturgemäß verlangte, konn¬
te mir wohl gefallen; daß die alten Spra¬
chen an der Gegenwart geübt werden sollten,
schien mir lobenswürdig, und gern erkannte
ich an, was in seinem Vorhaben, zu Be¬
förderung der Thätigkeit und einer frischeren
Weltanschauung lag: allein mir misfiel, daß
die Zeichnungen seines Elementarwerks noch

Auch Baſedow ward in Frankfurt ſehr ge¬
ſucht, und ſeine großen Geiſtesgaben bewun¬
dert; allein er war nicht der Mann, weder
die Gemuͤther zu erbauen, noch zu lenken.
Ihm war einzig darum zu thun, jenes große
Feld, das er ſich bezeichnet hatte, beſſer an¬
zubauen, damit die Menſchheit kuͤnftig be¬
quemer und naturgemaͤßer darin ihre Woh¬
nung nehmen ſollte; und auf dieſen Zweck
eilte er nur allzu gerade los.

Mit ſeinen Planen konnte ich mich nicht
befreunden, ja mir nicht einmal ſeine Abſich¬
ten deutlich machen. Daß er allen Unter¬
richt lebendig und naturgemaͤß verlangte, konn¬
te mir wohl gefallen; daß die alten Spra¬
chen an der Gegenwart geuͤbt werden ſollten,
ſchien mir lobenswuͤrdig, und gern erkannte
ich an, was in ſeinem Vorhaben, zu Be¬
foͤrderung der Thaͤtigkeit und einer friſcheren
Weltanſchauung lag: allein mir misfiel, daß
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[416/0424] Auch Baſedow ward in Frankfurt ſehr ge¬ ſucht, und ſeine großen Geiſtesgaben bewun¬ dert; allein er war nicht der Mann, weder die Gemuͤther zu erbauen, noch zu lenken. Ihm war einzig darum zu thun, jenes große Feld, das er ſich bezeichnet hatte, beſſer an¬ zubauen, damit die Menſchheit kuͤnftig be¬ quemer und naturgemaͤßer darin ihre Woh¬ nung nehmen ſollte; und auf dieſen Zweck eilte er nur allzu gerade los. Mit ſeinen Planen konnte ich mich nicht befreunden, ja mir nicht einmal ſeine Abſich¬ ten deutlich machen. Daß er allen Unter¬ richt lebendig und naturgemaͤß verlangte, konn¬ te mir wohl gefallen; daß die alten Spra¬ chen an der Gegenwart geuͤbt werden ſollten, ſchien mir lobenswuͤrdig, und gern erkannte ich an, was in ſeinem Vorhaben, zu Be¬ foͤrderung der Thaͤtigkeit und einer friſcheren Weltanſchauung lag: allein mir misfiel, daß die Zeichnungen ſeines Elementarwerks noch

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/424>, abgerufen am 13.05.2024.