und wirksam vor mir. Er hingegen verrieth im ersten Augenblick durch einige sonderbare Ausrufungen, daß er mich anders erwartet habe. Ich versicherte ihm dagegen, nach mei¬ nem angeborenen und angebildeten Realismus, daß, da es Gott und der Natur nun einmal gefallen habe, mich so zu machen, wir es auch dabey wollten bewenden lassen. Nun kamen zwar sogleich die bedeutendsten Puncte zur Sprache, über die wir uns in Briefen am wenigsten vereinigen konnten; allein die¬ selben ausführlich zu behandeln ward uns nicht Raum gelassen, und ich erfuhr was mir noch nie vorgekommen.
Wir andern, wenn wir uns über Ange¬ legenheiten des Geistes und Herzens unter¬ halten wollten, pflegten uns von der Menge, ja von der Gesellschaft zu entfernen, weil es, bey der vielfachen Denkweise und den ver¬ schiedenen Bildungsstufen, schon schwer fällt sich auch nur mit wenigen zu verständigen.
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und wirkſam vor mir. Er hingegen verrieth im erſten Augenblick durch einige ſonderbare Ausrufungen, daß er mich anders erwartet habe. Ich verſicherte ihm dagegen, nach mei¬ nem angeborenen und angebildeten Realismus, daß, da es Gott und der Natur nun einmal gefallen habe, mich ſo zu machen, wir es auch dabey wollten bewenden laſſen. Nun kamen zwar ſogleich die bedeutendſten Puncte zur Sprache, uͤber die wir uns in Briefen am wenigſten vereinigen konnten; allein die¬ ſelben ausfuͤhrlich zu behandeln ward uns nicht Raum gelaſſen, und ich erfuhr was mir noch nie vorgekommen.
Wir andern, wenn wir uns uͤber Ange¬ legenheiten des Geiſtes und Herzens unter¬ halten wollten, pflegten uns von der Menge, ja von der Geſellſchaft zu entfernen, weil es, bey der vielfachen Denkweiſe und den ver¬ ſchiedenen Bildungsſtufen, ſchon ſchwer faͤllt ſich auch nur mit wenigen zu verſtaͤndigen.
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[403/0411]
und wirkſam vor mir. Er hingegen verrieth
im erſten Augenblick durch einige ſonderbare
Ausrufungen, daß er mich anders erwartet
habe. Ich verſicherte ihm dagegen, nach mei¬
nem angeborenen und angebildeten Realismus,
daß, da es Gott und der Natur nun einmal
gefallen habe, mich ſo zu machen, wir es
auch dabey wollten bewenden laſſen. Nun
kamen zwar ſogleich die bedeutendſten Puncte
zur Sprache, uͤber die wir uns in Briefen
am wenigſten vereinigen konnten; allein die¬
ſelben ausfuͤhrlich zu behandeln ward uns
nicht Raum gelaſſen, und ich erfuhr was mir
noch nie vorgekommen.
Wir andern, wenn wir uns uͤber Ange¬
legenheiten des Geiſtes und Herzens unter¬
halten wollten, pflegten uns von der Menge,
ja von der Geſellſchaft zu entfernen, weil es,
bey der vielfachen Denkweiſe und den ver¬
ſchiedenen Bildungsſtufen, ſchon ſchwer faͤllt
ſich auch nur mit wenigen zu verſtaͤndigen.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/411>, abgerufen am 24.11.2024.
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