Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

lig auf. Das Wunderlichste war dabey, daß
er niemals Personen seiner näheren Bekannt¬
schaft wählte, sondern solche die er nur sel¬
ten sah, ja mehrere, die weit in der Welt
entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬
nem vorübergehenden Verhältniß gestanden;
aber es waren meist Personen, die, mehr
empfänglicher als ausgebender Natur, mit
reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬
gen zu nehmen bereit sind, die in ihrem Ge¬
sichtskreise liegen, ob er sich gleich manchmal
zu diesen dialectischen Uebungen widersprechen¬
de Geister herbeyrief. Hiezu bequemten sich
nun Personen beyderley Geschlechts, jedes
Alters und Standes, und erwiesen sich ge¬
fällig und unmuthig, da man sich nur von
Gegenständen unterhielt, die ihnen deutlich
und lieb waren. Höchst wunderbar würde
es jedoch manchen vorgekommen seyn, wenn
sie hätten erfahren können, wie oft sie zu
dieser ideellen Unterhaltung berufen wurden,

lig auf. Das Wunderlichſte war dabey, daß
er niemals Perſonen ſeiner naͤheren Bekannt¬
ſchaft waͤhlte, ſondern ſolche die er nur ſel¬
ten ſah, ja mehrere, die weit in der Welt
entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬
nem voruͤbergehenden Verhaͤltniß geſtanden;
aber es waren meiſt Perſonen, die, mehr
empfaͤnglicher als ausgebender Natur, mit
reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬
gen zu nehmen bereit ſind, die in ihrem Ge¬
ſichtskreiſe liegen, ob er ſich gleich manchmal
zu dieſen dialectiſchen Uebungen widerſprechen¬
de Geiſter herbeyrief. Hiezu bequemten ſich
nun Perſonen beyderley Geſchlechts, jedes
Alters und Standes, und erwieſen ſich ge¬
faͤllig und unmuthig, da man ſich nur von
Gegenſtaͤnden unterhielt, die ihnen deutlich
und lieb waren. Hoͤchſt wunderbar wuͤrde
es jedoch manchen vorgekommen ſeyn, wenn
ſie haͤtten erfahren koͤnnen, wie oft ſie zu
dieſer ideellen Unterhaltung berufen wurden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0326" n="318"/>
lig auf. Das Wunderlich&#x017F;te war dabey, daß<lb/>
er niemals Per&#x017F;onen &#x017F;einer na&#x0364;heren Bekannt¬<lb/>
&#x017F;chaft wa&#x0364;hlte, &#x017F;ondern &#x017F;olche die er nur &#x017F;el¬<lb/>
ten &#x017F;ah, ja mehrere, die weit in der Welt<lb/>
entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬<lb/>
nem voru&#x0364;bergehenden Verha&#x0364;ltniß ge&#x017F;tanden;<lb/>
aber es waren mei&#x017F;t Per&#x017F;onen, die, mehr<lb/>
empfa&#x0364;nglicher als ausgebender Natur, mit<lb/>
reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬<lb/>
gen zu nehmen bereit &#x017F;ind, die in ihrem Ge¬<lb/>
&#x017F;ichtskrei&#x017F;e liegen, ob er &#x017F;ich gleich manchmal<lb/>
zu die&#x017F;en dialecti&#x017F;chen Uebungen wider&#x017F;prechen¬<lb/>
de Gei&#x017F;ter herbeyrief. Hiezu bequemten &#x017F;ich<lb/>
nun Per&#x017F;onen beyderley Ge&#x017F;chlechts, jedes<lb/>
Alters und Standes, und erwie&#x017F;en &#x017F;ich ge¬<lb/>
fa&#x0364;llig und unmuthig, da man &#x017F;ich nur von<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden unterhielt, die ihnen deutlich<lb/>
und lieb waren. Ho&#x0364;ch&#x017F;t wunderbar wu&#x0364;rde<lb/>
es jedoch manchen vorgekommen &#x017F;eyn, wenn<lb/>
&#x017F;ie ha&#x0364;tten erfahren ko&#x0364;nnen, wie oft &#x017F;ie zu<lb/>
die&#x017F;er ideellen Unterhaltung berufen wurden,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0326] lig auf. Das Wunderlichſte war dabey, daß er niemals Perſonen ſeiner naͤheren Bekannt¬ ſchaft waͤhlte, ſondern ſolche die er nur ſel¬ ten ſah, ja mehrere, die weit in der Welt entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬ nem voruͤbergehenden Verhaͤltniß geſtanden; aber es waren meiſt Perſonen, die, mehr empfaͤnglicher als ausgebender Natur, mit reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬ gen zu nehmen bereit ſind, die in ihrem Ge¬ ſichtskreiſe liegen, ob er ſich gleich manchmal zu dieſen dialectiſchen Uebungen widerſprechen¬ de Geiſter herbeyrief. Hiezu bequemten ſich nun Perſonen beyderley Geſchlechts, jedes Alters und Standes, und erwieſen ſich ge¬ faͤllig und unmuthig, da man ſich nur von Gegenſtaͤnden unterhielt, die ihnen deutlich und lieb waren. Hoͤchſt wunderbar wuͤrde es jedoch manchen vorgekommen ſeyn, wenn ſie haͤtten erfahren koͤnnen, wie oft ſie zu dieſer ideellen Unterhaltung berufen wurden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/326
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/326>, abgerufen am 18.05.2024.