Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

sicht in die Welt, die ich mir um so mehr
zu eigen machen konnte, als die Schilderun¬
gen von einer bekannten und befreundeten
Hand gezeichnet waren. Allein ich blieb dem¬
ungeachtet dadurch auf längere Zeit sehr ein¬
sam, und entbehrte gerade in dieser wichtigen
Epoche seiner aufklärenden Theilnahme, deren
ich denn doch so sehr bedurfte.

Denn wie man wohl den Entschluß faßt
Soldat zu werden und in den Krieg zu ge¬
hen, sich auch muthig vorsetzt, Gefahr und
Beschwerlichkeiten zu ertragen, so wie auch
Wunden und Schmerzen ja den Tod zu er¬
dulden, aber sich dabey keineswegs die beson¬
deren Fälle vorstellt, unter welchen diese im
Allgemeinen erwarteten Uebel uns äußerst un¬
angenehm überraschen können: so ergeht es
einem Jeden der sich in die Welt wagt, und
besonders dem Autor, und so ging es auch
mir. Da der größte Theil des Publicums
mehr durch den Stoff als durch die Behand¬

ſicht in die Welt, die ich mir um ſo mehr
zu eigen machen konnte, als die Schilderun¬
gen von einer bekannten und befreundeten
Hand gezeichnet waren. Allein ich blieb dem¬
ungeachtet dadurch auf laͤngere Zeit ſehr ein¬
ſam, und entbehrte gerade in dieſer wichtigen
Epoche ſeiner aufklaͤrenden Theilnahme, deren
ich denn doch ſo ſehr bedurfte.

Denn wie man wohl den Entſchluß faßt
Soldat zu werden und in den Krieg zu ge¬
hen, ſich auch muthig vorſetzt, Gefahr und
Beſchwerlichkeiten zu ertragen, ſo wie auch
Wunden und Schmerzen ja den Tod zu er¬
dulden, aber ſich dabey keineswegs die beſon¬
deren Faͤlle vorſtellt, unter welchen dieſe im
Allgemeinen erwarteten Uebel uns aͤußerſt un¬
angenehm uͤberraſchen koͤnnen: ſo ergeht es
einem Jeden der ſich in die Welt wagt, und
beſonders dem Autor, und ſo ging es auch
mir. Da der groͤßte Theil des Publicums
mehr durch den Stoff als durch die Behand¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="312"/>
&#x017F;icht in die Welt, die ich mir um &#x017F;o mehr<lb/>
zu eigen machen konnte, als die Schilderun¬<lb/>
gen von einer bekannten und befreundeten<lb/>
Hand gezeichnet waren. Allein ich blieb dem¬<lb/>
ungeachtet dadurch auf la&#x0364;ngere Zeit &#x017F;ehr ein¬<lb/>
&#x017F;am, und entbehrte gerade in die&#x017F;er wichtigen<lb/>
Epoche &#x017F;einer aufkla&#x0364;renden Theilnahme, deren<lb/>
ich denn doch &#x017F;o &#x017F;ehr bedurfte.</p><lb/>
        <p>Denn wie man wohl den Ent&#x017F;chluß faßt<lb/>
Soldat zu werden und in den Krieg zu ge¬<lb/>
hen, &#x017F;ich auch muthig vor&#x017F;etzt, Gefahr und<lb/>
Be&#x017F;chwerlichkeiten zu ertragen, &#x017F;o wie auch<lb/>
Wunden und Schmerzen ja den Tod zu er¬<lb/>
dulden, aber &#x017F;ich dabey keineswegs die be&#x017F;on¬<lb/>
deren Fa&#x0364;lle vor&#x017F;tellt, unter welchen die&#x017F;e im<lb/>
Allgemeinen erwarteten Uebel uns a&#x0364;ußer&#x017F;t un¬<lb/>
angenehm u&#x0364;berra&#x017F;chen ko&#x0364;nnen: &#x017F;o ergeht es<lb/>
einem Jeden der &#x017F;ich in die Welt wagt, und<lb/>
be&#x017F;onders dem Autor, und &#x017F;o ging es auch<lb/>
mir. Da der gro&#x0364;ßte Theil des Publicums<lb/>
mehr durch den Stoff als durch die Behand¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0320] ſicht in die Welt, die ich mir um ſo mehr zu eigen machen konnte, als die Schilderun¬ gen von einer bekannten und befreundeten Hand gezeichnet waren. Allein ich blieb dem¬ ungeachtet dadurch auf laͤngere Zeit ſehr ein¬ ſam, und entbehrte gerade in dieſer wichtigen Epoche ſeiner aufklaͤrenden Theilnahme, deren ich denn doch ſo ſehr bedurfte. Denn wie man wohl den Entſchluß faßt Soldat zu werden und in den Krieg zu ge¬ hen, ſich auch muthig vorſetzt, Gefahr und Beſchwerlichkeiten zu ertragen, ſo wie auch Wunden und Schmerzen ja den Tod zu er¬ dulden, aber ſich dabey keineswegs die beſon¬ deren Faͤlle vorſtellt, unter welchen dieſe im Allgemeinen erwarteten Uebel uns aͤußerſt un¬ angenehm uͤberraſchen koͤnnen: ſo ergeht es einem Jeden der ſich in die Welt wagt, und beſonders dem Autor, und ſo ging es auch mir. Da der groͤßte Theil des Publicums mehr durch den Stoff als durch die Behand¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/320
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/320>, abgerufen am 20.05.2024.