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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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schen Merkur eine weitläuftige wohlgemeynte
Recension, verfaßt von irgend einem be¬
schränkten Geiste. Wo er tadelte, konnte ich
nicht mit ihm einstimmen, noch weniger wenn
er angab, wie die Sache hätte können an¬
ders gemacht werden. Erfreulich war es mir
daher, wenn ich unmittelbar hinterdrein eine
heitere Erklärung Wielands antraf, der im
Allgemeinen dem Recensenten widersprach und
sich meiner gegen ihn annahm. Indessen war
doch jenes auch gedruckt, ich sah ein Bey¬
spiel von der dumpfen Sinnesart unterrichte¬
ter und gebildeter Männer, wie mochte es
erst im großen Publicum aussehn!

Das Vergnügen, mich mit Merken über
solche Dinge zu besprechen und aufzuklären,
war von kurzer Dauer: denn die einsichts¬
volle Landgräfinn von Hessendarmstadt nahm
ihn, auf ihrer Reise nach Petersburg, in
ihr Gefolge. Die ausführlichen Briefe die
er mir schrieb, gaben mir eine weitere Aus¬

ſchen Merkur eine weitlaͤuftige wohlgemeynte
Recenſion, verfaßt von irgend einem be¬
ſchraͤnkten Geiſte. Wo er tadelte, konnte ich
nicht mit ihm einſtimmen, noch weniger wenn
er angab, wie die Sache haͤtte koͤnnen an¬
ders gemacht werden. Erfreulich war es mir
daher, wenn ich unmittelbar hinterdrein eine
heitere Erklaͤrung Wielands antraf, der im
Allgemeinen dem Recenſenten widerſprach und
ſich meiner gegen ihn annahm. Indeſſen war
doch jenes auch gedruckt, ich ſah ein Bey¬
ſpiel von der dumpfen Sinnesart unterrichte¬
ter und gebildeter Maͤnner, wie mochte es
erſt im großen Publicum ausſehn!

Das Vergnuͤgen, mich mit Merken uͤber
ſolche Dinge zu beſprechen und aufzuklaͤren,
war von kurzer Dauer: denn die einſichts¬
volle Landgraͤfinn von Heſſendarmſtadt nahm
ihn, auf ihrer Reiſe nach Petersburg, in
ihr Gefolge. Die ausfuͤhrlichen Briefe die
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[311/0319] ſchen Merkur eine weitlaͤuftige wohlgemeynte Recenſion, verfaßt von irgend einem be¬ ſchraͤnkten Geiſte. Wo er tadelte, konnte ich nicht mit ihm einſtimmen, noch weniger wenn er angab, wie die Sache haͤtte koͤnnen an¬ ders gemacht werden. Erfreulich war es mir daher, wenn ich unmittelbar hinterdrein eine heitere Erklaͤrung Wielands antraf, der im Allgemeinen dem Recenſenten widerſprach und ſich meiner gegen ihn annahm. Indeſſen war doch jenes auch gedruckt, ich ſah ein Bey¬ ſpiel von der dumpfen Sinnesart unterrichte¬ ter und gebildeter Maͤnner, wie mochte es erſt im großen Publicum ausſehn! Das Vergnuͤgen, mich mit Merken uͤber ſolche Dinge zu beſprechen und aufzuklaͤren, war von kurzer Dauer: denn die einſichts¬ volle Landgraͤfinn von Heſſendarmſtadt nahm ihn, auf ihrer Reiſe nach Petersburg, in ihr Gefolge. Die ausfuͤhrlichen Briefe die er mir ſchrieb, gaben mir eine weitere Aus¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/319>, abgerufen am 18.05.2024.