was zur Oelmalerey nöthig war, und ich malte einige einfache Stilleben nach dem Wirk¬ lichen, auf deren einem ein Messerstiel von Schildpat mit Silber eingelegt, meinen Mei¬ ster, der mich erst vor einer Stunde besucht hatte, dergestalt überraschte, daß er behaupte¬ te, es müsse während der Zeit einer von sei¬ nen untergeordneten Künstlern bey mir gewe¬ sen seyn.
Hätte ich geduldig fortgefahren mich an solchen Gegenständen zu üben, ihnen Licht und Schatten und die Eigenheiten ihrer Oberfläche abzugewinnen, ich hätte mir eine gewisse Praxis bilden und zum Höheren den Weg bahnen können; so aber verfolgte mich der Fehler aller Dilettanten, mit dem Schwer¬ sten anzufangen, ja sogar das Unmögliche lei¬ sten zu wollen, und ich verwickelte mich bald in größere Unternehmungen, in denen ich stecken blieb, sowohl weil sie weit über meine technischen Fähigkeiten hinauslagen, als weil
was zur Oelmalerey noͤthig war, und ich malte einige einfache Stilleben nach dem Wirk¬ lichen, auf deren einem ein Meſſerſtiel von Schildpat mit Silber eingelegt, meinen Mei¬ ſter, der mich erſt vor einer Stunde beſucht hatte, dergeſtalt uͤberraſchte, daß er behaupte¬ te, es muͤſſe waͤhrend der Zeit einer von ſei¬ nen untergeordneten Kuͤnſtlern bey mir gewe¬ ſen ſeyn.
Haͤtte ich geduldig fortgefahren mich an ſolchen Gegenſtaͤnden zu uͤben, ihnen Licht und Schatten und die Eigenheiten ihrer Oberflaͤche abzugewinnen, ich haͤtte mir eine gewiſſe Praxis bilden und zum Hoͤheren den Weg bahnen koͤnnen; ſo aber verfolgte mich der Fehler aller Dilettanten, mit dem Schwer¬ ſten anzufangen, ja ſogar das Unmoͤgliche lei¬ ſten zu wollen, und ich verwickelte mich bald in groͤßere Unternehmungen, in denen ich ſtecken blieb, ſowohl weil ſie weit uͤber meine techniſchen Faͤhigkeiten hinauslagen, als weil
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was zur Oelmalerey noͤthig war, und ich
malte einige einfache Stilleben nach dem Wirk¬
lichen, auf deren einem ein Meſſerſtiel von
Schildpat mit Silber eingelegt, meinen Mei¬
ſter, der mich erſt vor einer Stunde beſucht
hatte, dergeſtalt uͤberraſchte, daß er behaupte¬
te, es muͤſſe waͤhrend der Zeit einer von ſei¬
nen untergeordneten Kuͤnſtlern bey mir gewe¬
ſen ſeyn.
Haͤtte ich geduldig fortgefahren mich an
ſolchen Gegenſtaͤnden zu uͤben, ihnen Licht und
Schatten und die Eigenheiten ihrer Oberflaͤche
abzugewinnen, ich haͤtte mir eine gewiſſe
Praxis bilden und zum Hoͤheren den Weg
bahnen koͤnnen; ſo aber verfolgte mich der
Fehler aller Dilettanten, mit dem Schwer¬
ſten anzufangen, ja ſogar das Unmoͤgliche lei¬
ſten zu wollen, und ich verwickelte mich bald
in groͤßere Unternehmungen, in denen ich
ſtecken blieb, ſowohl weil ſie weit uͤber meine
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/295>, abgerufen am 24.11.2024.
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