wie das Reh seine Bestimmung ganz zu er¬ füllen scheint, wenn es leicht über die kei¬ menden Saaten wegfliegt, so schien auch sie ihre Art und Weise am deutlichsten auszu¬ drücken, wenn sie, etwas Vergessenes zu ho¬ len, etwas Verlorenes zu suchen, ein ent¬ ferntes Paar herbeyzurufen, etwas Nothwen¬ diges zu bestellen, über Rain und Matten leich¬ ten Laufes hineilte. Dabey kam sie niemals au¬ ßer Athem, und blieb völlig im Gleichge¬ wicht; daher mußte die allzu große Sorge der Aeltern für ihre Brust manchem übertrieben scheinen.
Der Vater, der uns manchmal durch Wiesen und Felder begleitete, war öfters nicht günstig gepaart. Ich gesellte mich des¬ halb zu ihm, und er verfehlte nicht, sein Lieblingsthema wieder anzustimmen und mich von dem vorgeschlagenen Bau des Pfarrhau¬ ses umständlich zu unterhalten. Er beklagte sich besonders, daß er die sorgfältig gefertigten
wie das Reh ſeine Beſtimmung ganz zu er¬ fuͤllen ſcheint, wenn es leicht uͤber die kei¬ menden Saaten wegfliegt, ſo ſchien auch ſie ihre Art und Weiſe am deutlichſten auszu¬ druͤcken, wenn ſie, etwas Vergeſſenes zu ho¬ len, etwas Verlorenes zu ſuchen, ein ent¬ ferntes Paar herbeyzurufen, etwas Nothwen¬ diges zu beſtellen, uͤber Rain und Matten leich¬ ten Laufes hineilte. Dabey kam ſie niemals au¬ ßer Athem, und blieb voͤllig im Gleichge¬ wicht; daher mußte die allzu große Sorge der Aeltern fuͤr ihre Bruſt manchem uͤbertrieben ſcheinen.
Der Vater, der uns manchmal durch Wieſen und Felder begleitete, war oͤfters nicht guͤnſtig gepaart. Ich geſellte mich des¬ halb zu ihm, und er verfehlte nicht, ſein Lieblingsthema wieder anzuſtimmen und mich von dem vorgeſchlagenen Bau des Pfarrhau¬ ſes umſtaͤndlich zu unterhalten. Er beklagte ſich beſonders, daß er die ſorgfaͤltig gefertigten
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wie das Reh ſeine Beſtimmung ganz zu er¬
fuͤllen ſcheint, wenn es leicht uͤber die kei¬
menden Saaten wegfliegt, ſo ſchien auch ſie
ihre Art und Weiſe am deutlichſten auszu¬
druͤcken, wenn ſie, etwas Vergeſſenes zu ho¬
len, etwas Verlorenes zu ſuchen, ein ent¬
ferntes Paar herbeyzurufen, etwas Nothwen¬
diges zu beſtellen, uͤber Rain und Matten leich¬
ten Laufes hineilte. Dabey kam ſie niemals au¬
ßer Athem, und blieb voͤllig im Gleichge¬
wicht; daher mußte die allzu große Sorge der
Aeltern fuͤr ihre Bruſt manchem uͤbertrieben
ſcheinen.
Der Vater, der uns manchmal durch
Wieſen und Felder begleitete, war oͤfters
nicht guͤnſtig gepaart. Ich geſellte mich des¬
halb zu ihm, und er verfehlte nicht, ſein
Lieblingsthema wieder anzuſtimmen und mich
von dem vorgeſchlagenen Bau des Pfarrhau¬
ſes umſtaͤndlich zu unterhalten. Er beklagte
ſich beſonders, daß er die ſorgfaͤltig gefertigten
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/29>, abgerufen am 18.12.2024.
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