Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

stalt trat niemals reizender hervor, als wenn
sie sich auf einem erhöhten Fußpfad hinbe¬
wegte; die Anmuth ihres Betragens schien
mit der beblümten Erde, und die unver¬
wüstliche Heiterkeit ihres Antlitzes mit dem
blauen Himmel zu wetteifern. Diesen er¬
quicklichen Aether der sie umgab, brachte sie
auch mit nach Hause und es ließ sich bald
bemerken, daß sie Verwirrungen auszuglei¬
chen und die Eindrücke kleiner unangenehmer
Zufälligkeiten leicht wegzulöschen verstand.

Die reinste Freude die man an einer ge¬
liebten Person finden kann, ist die, zu sehen,
daß sie andere erfreut. Friedrikens Betra¬
gen in der Gesellschaft war allgemein wohl¬
thätig. Auf Spazirgängen schwebte sie, ein
belebender Geist, hin und wieder und wußte
die Lücken auszufüllen, welche hier und da
entstehn mochten. Die Leichtigkeit ihrer Be¬
wegungen haben wir schon gerühmt, und am
allerzierlichsten war sie, wenn sie lief. So

ſtalt trat niemals reizender hervor, als wenn
ſie ſich auf einem erhoͤhten Fußpfad hinbe¬
wegte; die Anmuth ihres Betragens ſchien
mit der bebluͤmten Erde, und die unver¬
wuͤſtliche Heiterkeit ihres Antlitzes mit dem
blauen Himmel zu wetteifern. Dieſen er¬
quicklichen Aether der ſie umgab, brachte ſie
auch mit nach Hauſe und es ließ ſich bald
bemerken, daß ſie Verwirrungen auszuglei¬
chen und die Eindruͤcke kleiner unangenehmer
Zufaͤlligkeiten leicht wegzuloͤſchen verſtand.

Die reinſte Freude die man an einer ge¬
liebten Perſon finden kann, iſt die, zu ſehen,
daß ſie andere erfreut. Friedrikens Betra¬
gen in der Geſellſchaft war allgemein wohl¬
thaͤtig. Auf Spazirgaͤngen ſchwebte ſie, ein
belebender Geiſt, hin und wieder und wußte
die Luͤcken auszufuͤllen, welche hier und da
entſtehn mochten. Die Leichtigkeit ihrer Be¬
wegungen haben wir ſchon geruͤhmt, und am
allerzierlichſten war ſie, wenn ſie lief. So

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="20"/>
&#x017F;talt trat niemals reizender hervor, als wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auf einem erho&#x0364;hten Fußpfad hinbe¬<lb/>
wegte; die Anmuth ihres Betragens &#x017F;chien<lb/>
mit der beblu&#x0364;mten Erde, und die unver¬<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;tliche Heiterkeit ihres Antlitzes mit dem<lb/>
blauen Himmel zu wetteifern. Die&#x017F;en er¬<lb/>
quicklichen Aether der &#x017F;ie umgab, brachte &#x017F;ie<lb/>
auch mit nach Hau&#x017F;e und es ließ &#x017F;ich bald<lb/>
bemerken, daß &#x017F;ie Verwirrungen auszuglei¬<lb/>
chen und die Eindru&#x0364;cke kleiner unangenehmer<lb/>
Zufa&#x0364;lligkeiten leicht wegzulo&#x0364;&#x017F;chen ver&#x017F;tand.</p><lb/>
        <p>Die rein&#x017F;te Freude die man an einer ge¬<lb/>
liebten Per&#x017F;on finden kann, i&#x017F;t die, zu &#x017F;ehen,<lb/>
daß &#x017F;ie andere erfreut. Friedrikens Betra¬<lb/>
gen in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft war allgemein wohl¬<lb/>
tha&#x0364;tig. Auf Spazirga&#x0364;ngen &#x017F;chwebte &#x017F;ie, ein<lb/>
belebender Gei&#x017F;t, hin und wieder und wußte<lb/>
die Lu&#x0364;cken auszufu&#x0364;llen, welche hier und da<lb/>
ent&#x017F;tehn mochten. Die Leichtigkeit ihrer Be¬<lb/>
wegungen haben wir &#x017F;chon geru&#x0364;hmt, und am<lb/>
allerzierlich&#x017F;ten war &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie lief. So<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0028] ſtalt trat niemals reizender hervor, als wenn ſie ſich auf einem erhoͤhten Fußpfad hinbe¬ wegte; die Anmuth ihres Betragens ſchien mit der bebluͤmten Erde, und die unver¬ wuͤſtliche Heiterkeit ihres Antlitzes mit dem blauen Himmel zu wetteifern. Dieſen er¬ quicklichen Aether der ſie umgab, brachte ſie auch mit nach Hauſe und es ließ ſich bald bemerken, daß ſie Verwirrungen auszuglei¬ chen und die Eindruͤcke kleiner unangenehmer Zufaͤlligkeiten leicht wegzuloͤſchen verſtand. Die reinſte Freude die man an einer ge¬ liebten Perſon finden kann, iſt die, zu ſehen, daß ſie andere erfreut. Friedrikens Betra¬ gen in der Geſellſchaft war allgemein wohl¬ thaͤtig. Auf Spazirgaͤngen ſchwebte ſie, ein belebender Geiſt, hin und wieder und wußte die Luͤcken auszufuͤllen, welche hier und da entſtehn mochten. Die Leichtigkeit ihrer Be¬ wegungen haben wir ſchon geruͤhmt, und am allerzierlichſten war ſie, wenn ſie lief. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/28
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/28>, abgerufen am 25.04.2024.