sich eine Leidenschaft erklärt hat, bemüht ist, sie wieder aus einander zu ziehen; wie es denn dem geselligen Menschen ganz gleichgül¬ tig ist, ob er nutzt oder schadet, wenn er nur unterhalten wird.
Ich konnte mit einiger Aufmerksamkeit an diesem Morgen Friedrikens ganzes Wesen gewahr werden, dergestalt, daß sie mir für die ganze Zeit immer dieselbe blieb. Schon die freundlichen, vorzüglich an sie gerichteten Grüße der Bauern gaben zu verstehn, daß sie ihnen wohlthätig sey und ihr Behagen errege. Zu Hause stand die ältere der Mutter bey; alles was körperliche Anstrengung erforderte, ward nicht von Friedriken verlangt, man schonte sie, wie man sagte, ihrer Brust wegen.
Es giebt Frauenspersonen die uns im Zimmer besonders wohl gefallen, andere die sich besser im Freyen ausnehmen; Friedrike ge¬ hörte zu den letztern. Ihr Wesen, ihre Ge¬
2 *
ſich eine Leidenſchaft erklaͤrt hat, bemuͤht iſt, ſie wieder aus einander zu ziehen; wie es denn dem geſelligen Menſchen ganz gleichguͤl¬ tig iſt, ob er nutzt oder ſchadet, wenn er nur unterhalten wird.
Ich konnte mit einiger Aufmerkſamkeit an dieſem Morgen Friedrikens ganzes Weſen gewahr werden, dergeſtalt, daß ſie mir fuͤr die ganze Zeit immer dieſelbe blieb. Schon die freundlichen, vorzuͤglich an ſie gerichteten Gruͤße der Bauern gaben zu verſtehn, daß ſie ihnen wohlthaͤtig ſey und ihr Behagen errege. Zu Hauſe ſtand die aͤltere der Mutter bey; alles was koͤrperliche Anſtrengung erforderte, ward nicht von Friedriken verlangt, man ſchonte ſie, wie man ſagte, ihrer Bruſt wegen.
Es giebt Frauensperſonen die uns im Zimmer beſonders wohl gefallen, andere die ſich beſſer im Freyen ausnehmen; Friedrike ge¬ hoͤrte zu den letztern. Ihr Weſen, ihre Ge¬
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="19"/>ſich eine Leidenſchaft erklaͤrt hat, bemuͤht iſt,<lb/>ſie wieder aus einander zu ziehen; wie es<lb/>
denn dem geſelligen Menſchen ganz gleichguͤl¬<lb/>
tig iſt, ob er nutzt oder ſchadet, wenn er<lb/>
nur unterhalten wird.</p><lb/><p>Ich konnte mit einiger Aufmerkſamkeit<lb/>
an dieſem Morgen Friedrikens ganzes Weſen<lb/>
gewahr werden, dergeſtalt, daß ſie mir fuͤr die<lb/>
ganze Zeit immer dieſelbe blieb. Schon die<lb/>
freundlichen, vorzuͤglich an ſie gerichteten Gruͤße<lb/>
der Bauern gaben zu verſtehn, daß ſie ihnen<lb/>
wohlthaͤtig ſey und ihr Behagen errege. Zu<lb/>
Hauſe ſtand die aͤltere der Mutter bey; alles<lb/>
was koͤrperliche Anſtrengung erforderte, ward<lb/>
nicht von Friedriken verlangt, man ſchonte<lb/>ſie, wie man ſagte, ihrer Bruſt wegen.</p><lb/><p>Es giebt Frauensperſonen die uns im<lb/>
Zimmer beſonders wohl gefallen, andere die ſich<lb/>
beſſer im Freyen ausnehmen; Friedrike ge¬<lb/>
hoͤrte zu den letztern. Ihr Weſen, ihre Ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[19/0027]
ſich eine Leidenſchaft erklaͤrt hat, bemuͤht iſt,
ſie wieder aus einander zu ziehen; wie es
denn dem geſelligen Menſchen ganz gleichguͤl¬
tig iſt, ob er nutzt oder ſchadet, wenn er
nur unterhalten wird.
Ich konnte mit einiger Aufmerkſamkeit
an dieſem Morgen Friedrikens ganzes Weſen
gewahr werden, dergeſtalt, daß ſie mir fuͤr die
ganze Zeit immer dieſelbe blieb. Schon die
freundlichen, vorzuͤglich an ſie gerichteten Gruͤße
der Bauern gaben zu verſtehn, daß ſie ihnen
wohlthaͤtig ſey und ihr Behagen errege. Zu
Hauſe ſtand die aͤltere der Mutter bey; alles
was koͤrperliche Anſtrengung erforderte, ward
nicht von Friedriken verlangt, man ſchonte
ſie, wie man ſagte, ihrer Bruſt wegen.
Es giebt Frauensperſonen die uns im
Zimmer beſonders wohl gefallen, andere die ſich
beſſer im Freyen ausnehmen; Friedrike ge¬
hoͤrte zu den letztern. Ihr Weſen, ihre Ge¬
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/27>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.