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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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schon lustig durch einander, bis Friedrike sie
sammelte und zu einem Spazirgang nach je¬
nem schönen Platze lud und führte. Dort
fand man eine reichliche Collation und wollte
mit geselligen Spielen die Stunde des Mit¬
tagessens erwarten. Hier wußte ich, in Ein¬
stimmung mit Friedriken, ob sie gleich mein
Geheimniß nicht ahndete, Spiele ohne Pfän¬
der und Pfänderlösungen ohne Küsse zu be¬
reiten und durchzuführen.

Meine Kunstfertigkeit und Gewandtheit
war um so nöthiger, als die mir sonst ganz
fremde Gesellschaft geschwind ein Verhältniß
zwischen mir und dem lieben Mädchen mochte
geahndet haben, und sich nun schalkhaft alle
Mühe gab, mir dasjenige aufzudringen, was
ich heimlich zu vermeiden suchte. Denn be¬
merkt man in solchen Cirkeln eine angehende
Neigung junger Personen, so sucht man sie
verlegen zu machen oder näher zusammenzubrin¬
gen, eben so wie man in der Folge, wenn

ſchon luſtig durch einander, bis Friedrike ſie
ſammelte und zu einem Spazirgang nach je¬
nem ſchoͤnen Platze lud und fuͤhrte. Dort
fand man eine reichliche Collation und wollte
mit geſelligen Spielen die Stunde des Mit¬
tageſſens erwarten. Hier wußte ich, in Ein¬
ſtimmung mit Friedriken, ob ſie gleich mein
Geheimniß nicht ahndete, Spiele ohne Pfaͤn¬
der und Pfaͤnderloͤſungen ohne Kuͤſſe zu be¬
reiten und durchzufuͤhren.

Meine Kunſtfertigkeit und Gewandtheit
war um ſo noͤthiger, als die mir ſonſt ganz
fremde Geſellſchaft geſchwind ein Verhaͤltniß
zwiſchen mir und dem lieben Maͤdchen mochte
geahndet haben, und ſich nun ſchalkhaft alle
Muͤhe gab, mir dasjenige aufzudringen, was
ich heimlich zu vermeiden ſuchte. Denn be¬
merkt man in ſolchen Cirkeln eine angehende
Neigung junger Perſonen, ſo ſucht man ſie
verlegen zu machen oder naͤher zuſammenzubrin¬
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[18/0026] ſchon luſtig durch einander, bis Friedrike ſie ſammelte und zu einem Spazirgang nach je¬ nem ſchoͤnen Platze lud und fuͤhrte. Dort fand man eine reichliche Collation und wollte mit geſelligen Spielen die Stunde des Mit¬ tageſſens erwarten. Hier wußte ich, in Ein¬ ſtimmung mit Friedriken, ob ſie gleich mein Geheimniß nicht ahndete, Spiele ohne Pfaͤn¬ der und Pfaͤnderloͤſungen ohne Kuͤſſe zu be¬ reiten und durchzufuͤhren. Meine Kunſtfertigkeit und Gewandtheit war um ſo noͤthiger, als die mir ſonſt ganz fremde Geſellſchaft geſchwind ein Verhaͤltniß zwiſchen mir und dem lieben Maͤdchen mochte geahndet haben, und ſich nun ſchalkhaft alle Muͤhe gab, mir dasjenige aufzudringen, was ich heimlich zu vermeiden ſuchte. Denn be¬ merkt man in ſolchen Cirkeln eine angehende Neigung junger Perſonen, ſo ſucht man ſie verlegen zu machen oder naͤher zuſammenzubrin¬ gen, eben ſo wie man in der Folge, wenn

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/26>, abgerufen am 20.04.2024.