wodurch alles Obere, es sey nun monarchisch oder aristocratisch, aufgehoben wird.
Was mich betraf, so fuhr ich fort, die Dichtkunst zum Ausdruck meiner Gefühle und Grillen zu benutzen. Kleine Gedichte, wie der Wanderer, fallen in diese Zeit; sie wurden in den Göttinger Musenalmanach auf¬ genommen. Was aber von jener Sucht in mich eingedrungen seyn mochte, davon strebte ich mich kurz nachher im Goetz von Ber¬ lichingen zu befreyn, indem ich schilderte, wie in wüsten Zeiten der wohldenkende brave Mann allenfalls an die Stelle des Gesetzes und der ausübenden Gewalt zu treten sich entschließt, aber in Verzweiflung ist, wenn er dem anerkannten verehrten Oberhaupt zwey¬ deutig, ja abtrünnig erscheint.
Durch Klopstocks Oden war denn auch in die deutsche Dichtkunst nicht sowohl die nordische Mythologie, als vielmehr die No¬
wodurch alles Obere, es ſey nun monarchiſch oder ariſtocratiſch, aufgehoben wird.
Was mich betraf, ſo fuhr ich fort, die Dichtkunſt zum Ausdruck meiner Gefuͤhle und Grillen zu benutzen. Kleine Gedichte, wie der Wanderer, fallen in dieſe Zeit; ſie wurden in den Goͤttinger Muſenalmanach auf¬ genommen. Was aber von jener Sucht in mich eingedrungen ſeyn mochte, davon ſtrebte ich mich kurz nachher im Goetz von Ber¬ lichingen zu befreyn, indem ich ſchilderte, wie in wuͤſten Zeiten der wohldenkende brave Mann allenfalls an die Stelle des Geſetzes und der ausuͤbenden Gewalt zu treten ſich entſchließt, aber in Verzweiflung iſt, wenn er dem anerkannten verehrten Oberhaupt zwey¬ deutig, ja abtruͤnnig erſcheint.
Durch Klopſtocks Oden war denn auch in die deutſche Dichtkunſt nicht ſowohl die nordiſche Mythologie, als vielmehr die No¬
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wodurch alles Obere, es ſey nun monarchiſch
oder ariſtocratiſch, aufgehoben wird.
Was mich betraf, ſo fuhr ich fort, die
Dichtkunſt zum Ausdruck meiner Gefuͤhle und
Grillen zu benutzen. Kleine Gedichte, wie
der Wanderer, fallen in dieſe Zeit; ſie
wurden in den Goͤttinger Muſenalmanach auf¬
genommen. Was aber von jener Sucht in
mich eingedrungen ſeyn mochte, davon ſtrebte
ich mich kurz nachher im Goetz von Ber¬
lichingen zu befreyn, indem ich ſchilderte,
wie in wuͤſten Zeiten der wohldenkende brave
Mann allenfalls an die Stelle des Geſetzes
und der ausuͤbenden Gewalt zu treten ſich
entſchließt, aber in Verzweiflung iſt, wenn er
dem anerkannten verehrten Oberhaupt zwey¬
deutig, ja abtruͤnnig erſcheint.
Durch Klopſtocks Oden war denn auch
in die deutſche Dichtkunſt nicht ſowohl die
nordiſche Mythologie, als vielmehr die No¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/225>, abgerufen am 23.11.2024.
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