sechzig abgethan werden, und das Doppelte kam hinzu. Auch auf die Visitatoren wartete keine geringe Anzahl von Revisionen, man wollte ihrer funfzigtausend zählen. Ueberdieß hinderte so mancher Misbrauch den Gerichts¬ gang; als das Bedenklichste aber von allem erschienen im Hintergrunde die persönlichen Verbrechen einiger Assessoren.
Als ich nach Wetzlar gehn sollte, war die Visitation schon einige Jahre im Gange, die Beschuldigten suspendirt, die Untersuchung weit vorgerückt; und weil nun die Kenner und Meister des deutschen Staatsrechts diese Ge¬ legenheit nicht vorbeylassen durften, ihre Ein¬ sichten zu zeigen und sie dem gemeinen Be¬ sten zu widmen, so waren mehrere gründliche wohlgesinnte Schriften erschienen, aus denen sich, wer nur einige Vorkenntnisse besaß, gründ¬ lich unterrichten konnte. Ging man bey die¬ ser Gelegenheit in die Reichsverfassung und die von derselben handelnden Schriften zurück,
ſechzig abgethan werden, und das Doppelte kam hinzu. Auch auf die Viſitatoren wartete keine geringe Anzahl von Reviſionen, man wollte ihrer funfzigtauſend zaͤhlen. Ueberdieß hinderte ſo mancher Misbrauch den Gerichts¬ gang; als das Bedenklichſte aber von allem erſchienen im Hintergrunde die perſoͤnlichen Verbrechen einiger Aſſeſſoren.
Als ich nach Wetzlar gehn ſollte, war die Viſitation ſchon einige Jahre im Gange, die Beſchuldigten ſuspendirt, die Unterſuchung weit vorgeruͤckt; und weil nun die Kenner und Meiſter des deutſchen Staatsrechts dieſe Ge¬ legenheit nicht vorbeylaſſen durften, ihre Ein¬ ſichten zu zeigen und ſie dem gemeinen Be¬ ſten zu widmen, ſo waren mehrere gruͤndliche wohlgeſinnte Schriften erſchienen, aus denen ſich, wer nur einige Vorkenntniſſe beſaß, gruͤnd¬ lich unterrichten konnte. Ging man bey die¬ ſer Gelegenheit in die Reichsverfaſſung und die von derſelben handelnden Schriften zuruͤck,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0211"n="203"/>ſechzig abgethan werden, und das Doppelte<lb/>
kam hinzu. Auch auf die Viſitatoren wartete<lb/>
keine geringe Anzahl von Reviſionen, man<lb/>
wollte ihrer funfzigtauſend zaͤhlen. Ueberdieß<lb/>
hinderte ſo mancher Misbrauch den Gerichts¬<lb/>
gang; als das Bedenklichſte aber von allem<lb/>
erſchienen im Hintergrunde die perſoͤnlichen<lb/>
Verbrechen einiger Aſſeſſoren.</p><lb/><p>Als ich nach Wetzlar gehn ſollte, war die<lb/>
Viſitation ſchon einige Jahre im Gange, die<lb/>
Beſchuldigten ſuspendirt, die Unterſuchung weit<lb/>
vorgeruͤckt; und weil nun die Kenner und<lb/>
Meiſter des deutſchen Staatsrechts dieſe Ge¬<lb/>
legenheit nicht vorbeylaſſen durften, ihre Ein¬<lb/>ſichten zu zeigen und ſie dem gemeinen Be¬<lb/>ſten zu widmen, ſo waren mehrere gruͤndliche<lb/>
wohlgeſinnte Schriften erſchienen, aus denen<lb/>ſich, wer nur einige Vorkenntniſſe beſaß, gruͤnd¬<lb/>
lich unterrichten konnte. Ging man bey die¬<lb/>ſer Gelegenheit in die Reichsverfaſſung und<lb/>
die von derſelben handelnden Schriften zuruͤck,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[203/0211]
ſechzig abgethan werden, und das Doppelte
kam hinzu. Auch auf die Viſitatoren wartete
keine geringe Anzahl von Reviſionen, man
wollte ihrer funfzigtauſend zaͤhlen. Ueberdieß
hinderte ſo mancher Misbrauch den Gerichts¬
gang; als das Bedenklichſte aber von allem
erſchienen im Hintergrunde die perſoͤnlichen
Verbrechen einiger Aſſeſſoren.
Als ich nach Wetzlar gehn ſollte, war die
Viſitation ſchon einige Jahre im Gange, die
Beſchuldigten ſuspendirt, die Unterſuchung weit
vorgeruͤckt; und weil nun die Kenner und
Meiſter des deutſchen Staatsrechts dieſe Ge¬
legenheit nicht vorbeylaſſen durften, ihre Ein¬
ſichten zu zeigen und ſie dem gemeinen Be¬
ſten zu widmen, ſo waren mehrere gruͤndliche
wohlgeſinnte Schriften erſchienen, aus denen
ſich, wer nur einige Vorkenntniſſe beſaß, gruͤnd¬
lich unterrichten konnte. Ging man bey die¬
ſer Gelegenheit in die Reichsverfaſſung und
die von derſelben handelnden Schriften zuruͤck,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/211>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.