Aufopferung verstehn? Die Catholiken wollten nicht noch mehr verlieren, und die Protestan¬ ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken verwenden. Die Spaltung des Reichs in zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in mehrerem Betracht, den schlimmsten Einfluß. Nun verminderte sich der Antheil der Stände an diesem ihren Gericht immer mehr: die mächtigern suchten sich von dem Verbande loszulösen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬ richtshofe belangt zu werden, wurden immer lebhafter gesucht; die größeren blieben mit den Zahlungen zurück, und die kleineren, die sich in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten, säumten so lange sie konnten.
Wie schwer war es daher, den zahltägi¬ gen Bedarf zu den Besoldungen aufzubringen. Hieraus entsprang ein neues Geschäft, ein neuer Zeitverlust für das Cammergericht; frü¬ her hatten die jährlichen sogenannten Visita¬ tionen dafür gesorgt. Fürsten in Person, oder
Aufopferung verſtehn? Die Catholiken wollten nicht noch mehr verlieren, und die Proteſtan¬ ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken verwenden. Die Spaltung des Reichs in zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in mehrerem Betracht, den ſchlimmſten Einfluß. Nun verminderte ſich der Antheil der Staͤnde an dieſem ihren Gericht immer mehr: die maͤchtigern ſuchten ſich von dem Verbande loszuloͤſen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬ richtshofe belangt zu werden, wurden immer lebhafter geſucht; die groͤßeren blieben mit den Zahlungen zuruͤck, und die kleineren, die ſich in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten, ſaͤumten ſo lange ſie konnten.
Wie ſchwer war es daher, den zahltaͤgi¬ gen Bedarf zu den Beſoldungen aufzubringen. Hieraus entſprang ein neues Geſchaͤft, ein neuer Zeitverluſt fuͤr das Cammergericht; fruͤ¬ her hatten die jaͤhrlichen ſogenannten Viſita¬ tionen dafuͤr geſorgt. Fuͤrſten in Perſon, oder
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0204"n="196"/>
Aufopferung verſtehn? Die Catholiken wollten<lb/>
nicht noch mehr verlieren, und die Proteſtan¬<lb/>
ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken<lb/>
verwenden. Die Spaltung des Reichs in<lb/>
zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in<lb/>
mehrerem Betracht, den ſchlimmſten Einfluß.<lb/>
Nun verminderte ſich der Antheil der Staͤnde<lb/>
an dieſem ihren Gericht immer mehr: die<lb/>
maͤchtigern ſuchten ſich von dem Verbande<lb/>
loszuloͤſen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬<lb/>
richtshofe belangt zu werden, wurden immer<lb/>
lebhafter geſucht; die groͤßeren blieben mit den<lb/>
Zahlungen zuruͤck, und die kleineren, die ſich<lb/>
in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten,<lb/>ſaͤumten ſo lange ſie konnten.</p><lb/><p>Wie ſchwer war es daher, den zahltaͤgi¬<lb/>
gen Bedarf zu den Beſoldungen aufzubringen.<lb/>
Hieraus entſprang ein neues Geſchaͤft, ein<lb/>
neuer Zeitverluſt fuͤr das Cammergericht; fruͤ¬<lb/>
her hatten die jaͤhrlichen ſogenannten Viſita¬<lb/>
tionen dafuͤr geſorgt. Fuͤrſten in Perſon, oder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0204]
Aufopferung verſtehn? Die Catholiken wollten
nicht noch mehr verlieren, und die Proteſtan¬
ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken
verwenden. Die Spaltung des Reichs in
zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in
mehrerem Betracht, den ſchlimmſten Einfluß.
Nun verminderte ſich der Antheil der Staͤnde
an dieſem ihren Gericht immer mehr: die
maͤchtigern ſuchten ſich von dem Verbande
loszuloͤſen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬
richtshofe belangt zu werden, wurden immer
lebhafter geſucht; die groͤßeren blieben mit den
Zahlungen zuruͤck, und die kleineren, die ſich
in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten,
ſaͤumten ſo lange ſie konnten.
Wie ſchwer war es daher, den zahltaͤgi¬
gen Bedarf zu den Beſoldungen aufzubringen.
Hieraus entſprang ein neues Geſchaͤft, ein
neuer Zeitverluſt fuͤr das Cammergericht; fruͤ¬
her hatten die jaͤhrlichen ſogenannten Viſita¬
tionen dafuͤr geſorgt. Fuͤrſten in Perſon, oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/204>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.