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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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ihre Räthe, begaben sich nur auf Wochen oder
Monate an den Ort des Gerichts, untersuch¬
ten die Cassen, erforschten die Reste und über¬
nahmen das Geschäft, sie beyzutreiben. Zu¬
gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬
richtsgange stocken, irgend ein Misbrauch ein¬
schleichen wollte, waren sie befugt, dem ab¬
zuhelfen. Gebrechen der Anstalt sollten sie
entdecken und heben, aber persönliche Verbre¬
chen der Glieder zu untersuchen und zu bestra¬
fen, ward erst später ein Theil ihrer Pflicht.
Weil aber Processirende den Lebenshauch ih¬
rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick
verlängern wollen, und deshalb immer höhere
Instanzen suchen und hervorrufen; so wurden
diese Visitatoren auch ein Revisionsgericht, vor
dem man erst in bestimmten, offenbaren Fäl¬
len Wiederherstellung, zuletzt aber in allen
Aufschub und Verewigung des Zwists zu fin¬
den hoffte: wozu denn auch die Berufung an
den Reichstag, und das Bestreben beyder
Religionsparteyen, sich einander wo nicht auf¬

ihre Raͤthe, begaben ſich nur auf Wochen oder
Monate an den Ort des Gerichts, unterſuch¬
ten die Caſſen, erforſchten die Reſte und uͤber¬
nahmen das Geſchaͤft, ſie beyzutreiben. Zu¬
gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬
richtsgange ſtocken, irgend ein Misbrauch ein¬
ſchleichen wollte, waren ſie befugt, dem ab¬
zuhelfen. Gebrechen der Anſtalt ſollten ſie
entdecken und heben, aber perſoͤnliche Verbre¬
chen der Glieder zu unterſuchen und zu beſtra¬
fen, ward erſt ſpaͤter ein Theil ihrer Pflicht.
Weil aber Proceſſirende den Lebenshauch ih¬
rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick
verlaͤngern wollen, und deshalb immer hoͤhere
Inſtanzen ſuchen und hervorrufen; ſo wurden
dieſe Viſitatoren auch ein Reviſionsgericht, vor
dem man erſt in beſtimmten, offenbaren Faͤl¬
len Wiederherſtellung, zuletzt aber in allen
Aufſchub und Verewigung des Zwiſts zu fin¬
den hoffte: wozu denn auch die Berufung an
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[197/0205] ihre Raͤthe, begaben ſich nur auf Wochen oder Monate an den Ort des Gerichts, unterſuch¬ ten die Caſſen, erforſchten die Reſte und uͤber¬ nahmen das Geſchaͤft, ſie beyzutreiben. Zu¬ gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬ richtsgange ſtocken, irgend ein Misbrauch ein¬ ſchleichen wollte, waren ſie befugt, dem ab¬ zuhelfen. Gebrechen der Anſtalt ſollten ſie entdecken und heben, aber perſoͤnliche Verbre¬ chen der Glieder zu unterſuchen und zu beſtra¬ fen, ward erſt ſpaͤter ein Theil ihrer Pflicht. Weil aber Proceſſirende den Lebenshauch ih¬ rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick verlaͤngern wollen, und deshalb immer hoͤhere Inſtanzen ſuchen und hervorrufen; ſo wurden dieſe Viſitatoren auch ein Reviſionsgericht, vor dem man erſt in beſtimmten, offenbaren Faͤl¬ len Wiederherſtellung, zuletzt aber in allen Aufſchub und Verewigung des Zwiſts zu fin¬ den hoffte: wozu denn auch die Berufung an den Reichstag, und das Beſtreben beyder Religionsparteyen, ſich einander wo nicht auf¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/205>, abgerufen am 23.11.2024.