war ja vorgesehn, und mit diesen konnte man fertig werden; die übrigen, die rechtlich um den Besitz stritten, sie lebten, genossen oder darbten wie sie konnten; sie starben, verdar¬ ben, verglichen sich; das alles war aber nur Heil oder Unheil einzelner Familien, das Reich ward nach und nach beruhigt. Denn dem Cammergericht war ein gesetzliches Faustrecht gegen die Ungehorsamen in die Hände gege¬ ben; hätte man den Bannstrahl schleudern können, dieser wäre wirksamer gewesen.
Jetzo aber, bey der bald vermehrten, bald verminderten Anzahl der Assessoren, bey man¬ chen Unterbrechungen, bey Verlegung des Ge¬ richts von einem Ort an den andern, mußten diese Reste, diese Acten ins Unendliche an¬ wachsen. Nun flüchtete man in Kriegsnoth einen Theil des Archivs von Speyer nach Aschaffenburg, einen Theil nach Worms, der dritte fiel in die Hände der Franzosen, welche ein Staatsarchiv erobert zu haben glaubten,
war ja vorgeſehn, und mit dieſen konnte man fertig werden; die uͤbrigen, die rechtlich um den Beſitz ſtritten, ſie lebten, genoſſen oder darbten wie ſie konnten; ſie ſtarben, verdar¬ ben, verglichen ſich; das alles war aber nur Heil oder Unheil einzelner Familien, das Reich ward nach und nach beruhigt. Denn dem Cammergericht war ein geſetzliches Fauſtrecht gegen die Ungehorſamen in die Haͤnde gege¬ ben; haͤtte man den Bannſtrahl ſchleudern koͤnnen, dieſer waͤre wirkſamer geweſen.
Jetzo aber, bey der bald vermehrten, bald verminderten Anzahl der Aſſeſſoren, bey man¬ chen Unterbrechungen, bey Verlegung des Ge¬ richts von einem Ort an den andern, mußten dieſe Reſte, dieſe Acten ins Unendliche an¬ wachſen. Nun fluͤchtete man in Kriegsnoth einen Theil des Archivs von Speyer nach Aſchaffenburg, einen Theil nach Worms, der dritte fiel in die Haͤnde der Franzoſen, welche ein Staatsarchiv erobert zu haben glaubten,
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[194/0202]
war ja vorgeſehn, und mit dieſen konnte man
fertig werden; die uͤbrigen, die rechtlich um
den Beſitz ſtritten, ſie lebten, genoſſen oder
darbten wie ſie konnten; ſie ſtarben, verdar¬
ben, verglichen ſich; das alles war aber nur
Heil oder Unheil einzelner Familien, das Reich
ward nach und nach beruhigt. Denn dem
Cammergericht war ein geſetzliches Fauſtrecht
gegen die Ungehorſamen in die Haͤnde gege¬
ben; haͤtte man den Bannſtrahl ſchleudern
koͤnnen, dieſer waͤre wirkſamer geweſen.
Jetzo aber, bey der bald vermehrten, bald
verminderten Anzahl der Aſſeſſoren, bey man¬
chen Unterbrechungen, bey Verlegung des Ge¬
richts von einem Ort an den andern, mußten
dieſe Reſte, dieſe Acten ins Unendliche an¬
wachſen. Nun fluͤchtete man in Kriegsnoth
einen Theil des Archivs von Speyer nach
Aſchaffenburg, einen Theil nach Worms, der
dritte fiel in die Haͤnde der Franzoſen, welche
ein Staatsarchiv erobert zu haben glaubten,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/202>, abgerufen am 23.11.2024.
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