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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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schauerlich, ich sprengte zu, um nicht bis
morgen früh auf ihren Anblick warten zu
müssen.

Es war schon spät, als ich in Sesen¬
heim mein Pferd einstellte. Der Wirth, auf
meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch
Licht sey, versicherte mich, die Frauenzim¬
mer seyen eben erst nach Hause gegangen;
er glaube gehört zu haben, daß sie noch ei¬
nen Fremden erwarteten. Das war mir
nicht recht; denn ich hätte gewünscht der
einzige zu seyn. Ich eilte nach, um we¬
nigstens, so spät noch, als der erste zu er¬
scheinen. Ich fand die beyden Schwestern
vor der Thüre sitzend; sie schienen nicht sehr
verwundert, aber ich war es, als Friedrike
Olivien ins Ohr sagte, so jedoch daß ich's
hörte: hab' ich's nicht gesagt? da ist er!
Sie führten mich ins Zimmer und ich fand
eine kleine Collation aufgestellt. Die Mutter
begrüßte mich als einen alten Bekannten;

ſchauerlich, ich ſprengte zu, um nicht bis
morgen fruͤh auf ihren Anblick warten zu
muͤſſen.

Es war ſchon ſpaͤt, als ich in Seſen¬
heim mein Pferd einſtellte. Der Wirth, auf
meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch
Licht ſey, verſicherte mich, die Frauenzim¬
mer ſeyen eben erſt nach Hauſe gegangen;
er glaube gehoͤrt zu haben, daß ſie noch ei¬
nen Fremden erwarteten. Das war mir
nicht recht; denn ich haͤtte gewuͤnſcht der
einzige zu ſeyn. Ich eilte nach, um we¬
nigſtens, ſo ſpaͤt noch, als der erſte zu er¬
ſcheinen. Ich fand die beyden Schweſtern
vor der Thuͤre ſitzend; ſie ſchienen nicht ſehr
verwundert, aber ich war es, als Friedrike
Olivien ins Ohr ſagte, ſo jedoch daß ich's
hoͤrte: hab' ich's nicht geſagt? da iſt er!
Sie fuͤhrten mich ins Zimmer und ich fand
eine kleine Collation aufgeſtellt. Die Mutter
begruͤßte mich als einen alten Bekannten;

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[12/0020] ſchauerlich, ich ſprengte zu, um nicht bis morgen fruͤh auf ihren Anblick warten zu muͤſſen. Es war ſchon ſpaͤt, als ich in Seſen¬ heim mein Pferd einſtellte. Der Wirth, auf meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch Licht ſey, verſicherte mich, die Frauenzim¬ mer ſeyen eben erſt nach Hauſe gegangen; er glaube gehoͤrt zu haben, daß ſie noch ei¬ nen Fremden erwarteten. Das war mir nicht recht; denn ich haͤtte gewuͤnſcht der einzige zu ſeyn. Ich eilte nach, um we¬ nigſtens, ſo ſpaͤt noch, als der erſte zu er¬ ſcheinen. Ich fand die beyden Schweſtern vor der Thuͤre ſitzend; ſie ſchienen nicht ſehr verwundert, aber ich war es, als Friedrike Olivien ins Ohr ſagte, ſo jedoch daß ich's hoͤrte: hab' ich's nicht geſagt? da iſt er! Sie fuͤhrten mich ins Zimmer und ich fand eine kleine Collation aufgeſtellt. Die Mutter begruͤßte mich als einen alten Bekannten;

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/20>, abgerufen am 24.11.2024.