schauerlich, ich sprengte zu, um nicht bis morgen früh auf ihren Anblick warten zu müssen.
Es war schon spät, als ich in Sesen¬ heim mein Pferd einstellte. Der Wirth, auf meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch Licht sey, versicherte mich, die Frauenzim¬ mer seyen eben erst nach Hause gegangen; er glaube gehört zu haben, daß sie noch ei¬ nen Fremden erwarteten. Das war mir nicht recht; denn ich hätte gewünscht der einzige zu seyn. Ich eilte nach, um we¬ nigstens, so spät noch, als der erste zu er¬ scheinen. Ich fand die beyden Schwestern vor der Thüre sitzend; sie schienen nicht sehr verwundert, aber ich war es, als Friedrike Olivien ins Ohr sagte, so jedoch daß ich's hörte: hab' ich's nicht gesagt? da ist er! Sie führten mich ins Zimmer und ich fand eine kleine Collation aufgestellt. Die Mutter begrüßte mich als einen alten Bekannten;
ſchauerlich, ich ſprengte zu, um nicht bis morgen fruͤh auf ihren Anblick warten zu muͤſſen.
Es war ſchon ſpaͤt, als ich in Seſen¬ heim mein Pferd einſtellte. Der Wirth, auf meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch Licht ſey, verſicherte mich, die Frauenzim¬ mer ſeyen eben erſt nach Hauſe gegangen; er glaube gehoͤrt zu haben, daß ſie noch ei¬ nen Fremden erwarteten. Das war mir nicht recht; denn ich haͤtte gewuͤnſcht der einzige zu ſeyn. Ich eilte nach, um we¬ nigſtens, ſo ſpaͤt noch, als der erſte zu er¬ ſcheinen. Ich fand die beyden Schweſtern vor der Thuͤre ſitzend; ſie ſchienen nicht ſehr verwundert, aber ich war es, als Friedrike Olivien ins Ohr ſagte, ſo jedoch daß ich's hoͤrte: hab' ich's nicht geſagt? da iſt er! Sie fuͤhrten mich ins Zimmer und ich fand eine kleine Collation aufgeſtellt. Die Mutter begruͤßte mich als einen alten Bekannten;
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ſchauerlich, ich ſprengte zu, um nicht bis
morgen fruͤh auf ihren Anblick warten zu
muͤſſen.
Es war ſchon ſpaͤt, als ich in Seſen¬
heim mein Pferd einſtellte. Der Wirth, auf
meine Frage, ob wohl in der Pfarre noch
Licht ſey, verſicherte mich, die Frauenzim¬
mer ſeyen eben erſt nach Hauſe gegangen;
er glaube gehoͤrt zu haben, daß ſie noch ei¬
nen Fremden erwarteten. Das war mir
nicht recht; denn ich haͤtte gewuͤnſcht der
einzige zu ſeyn. Ich eilte nach, um we¬
nigſtens, ſo ſpaͤt noch, als der erſte zu er¬
ſcheinen. Ich fand die beyden Schweſtern
vor der Thuͤre ſitzend; ſie ſchienen nicht ſehr
verwundert, aber ich war es, als Friedrike
Olivien ins Ohr ſagte, ſo jedoch daß ich's
hoͤrte: hab' ich's nicht geſagt? da iſt er!
Sie fuͤhrten mich ins Zimmer und ich fand
eine kleine Collation aufgeſtellt. Die Mutter
begruͤßte mich als einen alten Bekannten;
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/20>, abgerufen am 24.11.2024.
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