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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Erdbeschreibung, Naturgeschichte und Anato¬
mie und so manches Andere hatte nun seit
Jahren und bis auf den letzten Tag uns im¬
mer auf die geschmückte große Welt hinge¬
wiesen, und wir hätten gern von Sonnen
und Sternen, von Planeten und Monden,
von Bergen, Thälern, Flüssen und Meeren
und von allem was darin lebt und webt, das
Nähere so wie das Allgemeinere erfahren.
Daß hierbey wohl manches vorkommen mü߬
te, was dem gemeinen Menschen als schäd¬
lich, der Geistlichkeit als gefährlich, dem
Staat als unzuläßlich erscheinen möchte, dar¬
an hatten wir keinen Zweifel, und wir hoff¬
ten, dieses Büchlein sollte nicht unwürdig die
Feuerprobe bestanden haben. Allein wie hohl
und leer ward uns in dieser tristen atheisti¬
schen Halbnacht zu Muthe, in welcher die
Erde mit allen ihren Gebilden, der Himmel
mit allen seinen Gestirnen verschwand. Eine
Materie sollte seyn von Ewigkeit, und von
Ewigkeit her bewegt, und sollte nun mit die¬

Erdbeſchreibung, Naturgeſchichte und Anato¬
mie und ſo manches Andere hatte nun ſeit
Jahren und bis auf den letzten Tag uns im¬
mer auf die geſchmuͤckte große Welt hinge¬
wieſen, und wir haͤtten gern von Sonnen
und Sternen, von Planeten und Monden,
von Bergen, Thaͤlern, Fluͤſſen und Meeren
und von allem was darin lebt und webt, das
Naͤhere ſo wie das Allgemeinere erfahren.
Daß hierbey wohl manches vorkommen muͤ߬
te, was dem gemeinen Menſchen als ſchaͤd¬
lich, der Geiſtlichkeit als gefaͤhrlich, dem
Staat als unzulaͤßlich erſcheinen moͤchte, dar¬
an hatten wir keinen Zweifel, und wir hoff¬
ten, dieſes Buͤchlein ſollte nicht unwuͤrdig die
Feuerprobe beſtanden haben. Allein wie hohl
und leer ward uns in dieſer triſten atheiſti¬
ſchen Halbnacht zu Muthe, in welcher die
Erde mit allen ihren Gebilden, der Himmel
mit allen ſeinen Geſtirnen verſchwand. Eine
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[106/0114] Erdbeſchreibung, Naturgeſchichte und Anato¬ mie und ſo manches Andere hatte nun ſeit Jahren und bis auf den letzten Tag uns im¬ mer auf die geſchmuͤckte große Welt hinge¬ wieſen, und wir haͤtten gern von Sonnen und Sternen, von Planeten und Monden, von Bergen, Thaͤlern, Fluͤſſen und Meeren und von allem was darin lebt und webt, das Naͤhere ſo wie das Allgemeinere erfahren. Daß hierbey wohl manches vorkommen muͤ߬ te, was dem gemeinen Menſchen als ſchaͤd¬ lich, der Geiſtlichkeit als gefaͤhrlich, dem Staat als unzulaͤßlich erſcheinen moͤchte, dar¬ an hatten wir keinen Zweifel, und wir hoff¬ ten, dieſes Buͤchlein ſollte nicht unwuͤrdig die Feuerprobe beſtanden haben. Allein wie hohl und leer ward uns in dieſer triſten atheiſti¬ ſchen Halbnacht zu Muthe, in welcher die Erde mit allen ihren Gebilden, der Himmel mit allen ſeinen Geſtirnen verſchwand. Eine Materie ſollte ſeyn von Ewigkeit, und von Ewigkeit her bewegt, und ſollte nun mit die¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/114>, abgerufen am 23.11.2024.