te sie nicht ansehen, ohne sie zugleich zu eh¬ ren und zu scheuen. Man bemerkte bey ihr die Folgen einer guten Erziehung; ihr Betra¬ gen war ruhig, frey, heiter und einladend.
Hatte die ältere Tochter nicht die gerühm¬ te Schönheit Oliviens, so war sie doch wohl gebaut, lebhaft und eher heftig; sie zeigte sich überall thätig und ging der Mutter in allem an Handen. Friedricken an die Stelle von Primrosens Sophie zu setzen, war nicht schwer: denn von jener ist wenig gesagt, man giebt nur zu, daß sie liebenswürdig sey; die¬ se war es wirklich. Wie nun dasselbe Ge¬ schäft, derselbe Zustand überall, wo er vor¬ kommen mag, ähnliche, wo nicht gleiche Wir¬ kungen hervorbringt; so kam auch hier man¬ ches zur Sprache, es geschah gar manches, was in der Wakefieldschen Familie sich auch schon ereignet hatte. Als nun aber gar zu¬ letzt ein längst angekündigter und von dem
te ſie nicht anſehen, ohne ſie zugleich zu eh¬ ren und zu ſcheuen. Man bemerkte bey ihr die Folgen einer guten Erziehung; ihr Betra¬ gen war ruhig, frey, heiter und einladend.
Hatte die aͤltere Tochter nicht die geruͤhm¬ te Schoͤnheit Oliviens, ſo war ſie doch wohl gebaut, lebhaft und eher heftig; ſie zeigte ſich uͤberall thaͤtig und ging der Mutter in allem an Handen. Friedricken an die Stelle von Primroſens Sophie zu ſetzen, war nicht ſchwer: denn von jener iſt wenig geſagt, man giebt nur zu, daß ſie liebenswuͤrdig ſey; die¬ ſe war es wirklich. Wie nun daſſelbe Ge¬ ſchaͤft, derſelbe Zuſtand uͤberall, wo er vor¬ kommen mag, aͤhnliche, wo nicht gleiche Wir¬ kungen hervorbringt; ſo kam auch hier man¬ ches zur Sprache, es geſchah gar manches, was in der Wakefieldſchen Familie ſich auch ſchon ereignet hatte. Als nun aber gar zu¬ letzt ein laͤngſt angekuͤndigter und von dem
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te ſie nicht anſehen, ohne ſie zugleich zu eh¬
ren und zu ſcheuen. Man bemerkte bey ihr
die Folgen einer guten Erziehung; ihr Betra¬
gen war ruhig, frey, heiter und einladend.
Hatte die aͤltere Tochter nicht die geruͤhm¬
te Schoͤnheit Oliviens, ſo war ſie doch wohl
gebaut, lebhaft und eher heftig; ſie zeigte
ſich uͤberall thaͤtig und ging der Mutter in
allem an Handen. Friedricken an die Stelle
von Primroſens Sophie zu ſetzen, war nicht
ſchwer: denn von jener iſt wenig geſagt, man
giebt nur zu, daß ſie liebenswuͤrdig ſey; die¬
ſe war es wirklich. Wie nun daſſelbe Ge¬
ſchaͤft, derſelbe Zuſtand uͤberall, wo er vor¬
kommen mag, aͤhnliche, wo nicht gleiche Wir¬
kungen hervorbringt; ſo kam auch hier man¬
ches zur Sprache, es geſchah gar manches,
was in der Wakefieldſchen Familie ſich auch
ſchon ereignet hatte. Als nun aber gar zu¬
letzt ein laͤngſt angekuͤndigter und von dem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/547>, abgerufen am 22.11.2024.
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