Gute, was man ihrer Persönlichkeit erweist, doppelt hoch anrechnen dürfen und im Fall sind, das Unerfreuliche entweder leicht zu neh¬ men, oder ihm ausweichen zu können. Daß Jupiter bey Philemon und Baucis, Heinrich der vierte, nach einer Jagdpartie, unter sei¬ nen Bauern sich in ihrem Incognito wohlge¬ fallen, ist ganz der Natur gemäß, und man mag es gern; daß aber ein junger Mensch ohne Bedeutung und Namen sich einfallen läßt, aus dem Incognito einiges Vergnügen zu ziehen, möchte mancher für einen unver¬ zeihlichen Hochmuth auslegen. Da aber hier die Rede nicht ist von Gesinnungen und Handlungen, in wiefern sie lobens- oder ta¬ delnswürdig, sondern wiefern sie sich offenba¬ ren und ereignen können; so wollen wir für dießmal, unserer Unterhaltung zu Liebe, dem Jüngling seinen Dünkel verzeihen, um so mehr, als ich hier anführen muß, daß von Jugend auf in mir eine Lust mich zu verklei¬
II. 34
Gute, was man ihrer Perſoͤnlichkeit erweiſt, doppelt hoch anrechnen duͤrfen und im Fall ſind, das Unerfreuliche entweder leicht zu neh¬ men, oder ihm ausweichen zu koͤnnen. Daß Jupiter bey Philemon und Baucis, Heinrich der vierte, nach einer Jagdpartie, unter ſei¬ nen Bauern ſich in ihrem Incognito wohlge¬ fallen, iſt ganz der Natur gemaͤß, und man mag es gern; daß aber ein junger Menſch ohne Bedeutung und Namen ſich einfallen laͤßt, aus dem Incognito einiges Vergnuͤgen zu ziehen, moͤchte mancher fuͤr einen unver¬ zeihlichen Hochmuth auslegen. Da aber hier die Rede nicht iſt von Geſinnungen und Handlungen, in wiefern ſie lobens- oder ta¬ delnswuͤrdig, ſondern wiefern ſie ſich offenba¬ ren und ereignen koͤnnen; ſo wollen wir fuͤr dießmal, unſerer Unterhaltung zu Liebe, dem Juͤngling ſeinen Duͤnkel verzeihen, um ſo mehr, als ich hier anfuͤhren muß, daß von Jugend auf in mir eine Luſt mich zu verklei¬
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Gute, was man ihrer Perſoͤnlichkeit erweiſt,
doppelt hoch anrechnen duͤrfen und im Fall
ſind, das Unerfreuliche entweder leicht zu neh¬
men, oder ihm ausweichen zu koͤnnen. Daß
Jupiter bey Philemon und Baucis, Heinrich
der vierte, nach einer Jagdpartie, unter ſei¬
nen Bauern ſich in ihrem Incognito wohlge¬
fallen, iſt ganz der Natur gemaͤß, und man
mag es gern; daß aber ein junger Menſch
ohne Bedeutung und Namen ſich einfallen
laͤßt, aus dem Incognito einiges Vergnuͤgen
zu ziehen, moͤchte mancher fuͤr einen unver¬
zeihlichen Hochmuth auslegen. Da aber hier
die Rede nicht iſt von Geſinnungen und
Handlungen, in wiefern ſie lobens- oder ta¬
delnswuͤrdig, ſondern wiefern ſie ſich offenba¬
ren und ereignen koͤnnen; ſo wollen wir fuͤr
dießmal, unſerer Unterhaltung zu Liebe, dem
Juͤngling ſeinen Duͤnkel verzeihen, um ſo
mehr, als ich hier anfuͤhren muß, daß von
Jugend auf in mir eine Luſt mich zu verklei¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/537>, abgerufen am 06.01.2025.
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