genblick viel zu schaffen; keineswegs aber hät¬ te ich erwartet alsobald aus dieser fingirten Welt in eine ähnliche wirkliche versetzt zu werden.
Mein Tischgenosse Weyland, der sein stil¬ les fleißiges Leben dadurch erheiterte, daß er, aus dem Elsaß gebürtig, bey Freunden und Verwandten in der Gegend von Zeit zu Zeit einsprach, leistete mir auf meinen kleinen Ex¬ cursionen manchen Dienst, indem er mich in verschiedenen Ortschaften und Familien theils persönlich, theils durch Empfehlungen einführ¬ te. Dieser hatte mir öfters von einem Land¬ geistlichen gesprochen, der nahe bey Drusen¬ heim, sechs Stunden von Straßburg, im Besitz einer guten Pfarre mit einer verstän¬ digen Frau und ein Paar liebenswürdigen Töch¬ tern lebe. Die Gastfreyheit und Anmuth die¬ ses Hauses ward immer dabey höchlich ge¬ rühmt. Soviel bedurfte es kaum, um einen
genblick viel zu ſchaffen; keineswegs aber haͤt¬ te ich erwartet alſobald aus dieſer fingirten Welt in eine aͤhnliche wirkliche verſetzt zu werden.
Mein Tiſchgenoſſe Weyland, der ſein ſtil¬ les fleißiges Leben dadurch erheiterte, daß er, aus dem Elſaß gebuͤrtig, bey Freunden und Verwandten in der Gegend von Zeit zu Zeit einſprach, leiſtete mir auf meinen kleinen Ex¬ curſionen manchen Dienſt, indem er mich in verſchiedenen Ortſchaften und Familien theils perſoͤnlich, theils durch Empfehlungen einfuͤhr¬ te. Dieſer hatte mir oͤfters von einem Land¬ geiſtlichen geſprochen, der nahe bey Druſen¬ heim, ſechs Stunden von Straßburg, im Beſitz einer guten Pfarre mit einer verſtaͤn¬ digen Frau und ein Paar liebenswuͤrdigen Toͤch¬ tern lebe. Die Gaſtfreyheit und Anmuth die¬ ſes Hauſes ward immer dabey hoͤchlich ge¬ ruͤhmt. Soviel bedurfte es kaum, um einen
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genblick viel zu ſchaffen; keineswegs aber haͤt¬
te ich erwartet alſobald aus dieſer fingirten
Welt in eine aͤhnliche wirkliche verſetzt zu
werden.
Mein Tiſchgenoſſe Weyland, der ſein ſtil¬
les fleißiges Leben dadurch erheiterte, daß er,
aus dem Elſaß gebuͤrtig, bey Freunden und
Verwandten in der Gegend von Zeit zu Zeit
einſprach, leiſtete mir auf meinen kleinen Ex¬
curſionen manchen Dienſt, indem er mich in
verſchiedenen Ortſchaften und Familien theils
perſoͤnlich, theils durch Empfehlungen einfuͤhr¬
te. Dieſer hatte mir oͤfters von einem Land¬
geiſtlichen geſprochen, der nahe bey Druſen¬
heim, ſechs Stunden von Straßburg, im
Beſitz einer guten Pfarre mit einer verſtaͤn¬
digen Frau und ein Paar liebenswuͤrdigen Toͤch¬
tern lebe. Die Gaſtfreyheit und Anmuth die¬
ſes Hauſes ward immer dabey hoͤchlich ge¬
ruͤhmt. Soviel bedurfte es kaum, um einen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/535>, abgerufen am 02.01.2025.
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