vollkommen ein Glied der Gemeine. Auf die¬ sem reinen, schönen, irdischen Grunde ruht sein höherer Beruf; ihm ist übergeben, die Menschen ins Leben zu führen, für ihre gei¬ stige Erziehung zu sorgen, sie bey allen Haupt¬ epochen ihres Daseyns zu segnen, sie zu be¬ lehren, zu kräftigen, zu trösten, und, wenn der Trost für die Gegenwart nicht ausreicht, die Hoffnung einer glücklicheren Zukunft her¬ anzurufen und zu verbürgen. Denke man sich einen solchen Mann, mit rein menschli¬ chen Gesinnungen, stark genug, um unter keinen Umständen davon zu weichen, und schon dadurch über die Menge erhaben, von der man Reinheit und Festigkeit nicht erwarten kann; gebe man ihm die zu seinem Amte nöthigen Kenntnisse, so wie eine heitere, glei¬ che Thätigkeit, welche sogar leidenschaftlich ist, indem sie keinen Augenblick versäumt das Gute zu wirken -- und man wird ihn wohl aus¬ gestattet haben. Zugleich aber füge man die
vollkommen ein Glied der Gemeine. Auf die¬ ſem reinen, ſchoͤnen, irdiſchen Grunde ruht ſein hoͤherer Beruf; ihm iſt uͤbergeben, die Menſchen ins Leben zu fuͤhren, fuͤr ihre gei¬ ſtige Erziehung zu ſorgen, ſie bey allen Haupt¬ epochen ihres Daſeyns zu ſegnen, ſie zu be¬ lehren, zu kraͤftigen, zu troͤſten, und, wenn der Troſt fuͤr die Gegenwart nicht ausreicht, die Hoffnung einer gluͤcklicheren Zukunft her¬ anzurufen und zu verbuͤrgen. Denke man ſich einen ſolchen Mann, mit rein menſchli¬ chen Geſinnungen, ſtark genug, um unter keinen Umſtaͤnden davon zu weichen, und ſchon dadurch uͤber die Menge erhaben, von der man Reinheit und Feſtigkeit nicht erwarten kann; gebe man ihm die zu ſeinem Amte noͤthigen Kenntniſſe, ſo wie eine heitere, glei¬ che Thaͤtigkeit, welche ſogar leidenſchaftlich iſt, indem ſie keinen Augenblick verſaͤumt das Gute zu wirken — und man wird ihn wohl aus¬ geſtattet haben. Zugleich aber fuͤge man die
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vollkommen ein Glied der Gemeine. Auf die¬
ſem reinen, ſchoͤnen, irdiſchen Grunde ruht
ſein hoͤherer Beruf; ihm iſt uͤbergeben, die
Menſchen ins Leben zu fuͤhren, fuͤr ihre gei¬
ſtige Erziehung zu ſorgen, ſie bey allen Haupt¬
epochen ihres Daſeyns zu ſegnen, ſie zu be¬
lehren, zu kraͤftigen, zu troͤſten, und, wenn
der Troſt fuͤr die Gegenwart nicht ausreicht,
die Hoffnung einer gluͤcklicheren Zukunft her¬
anzurufen und zu verbuͤrgen. Denke man
ſich einen ſolchen Mann, mit rein menſchli¬
chen Geſinnungen, ſtark genug, um unter
keinen Umſtaͤnden davon zu weichen, und ſchon
dadurch uͤber die Menge erhaben, von der
man Reinheit und Feſtigkeit nicht erwarten
kann; gebe man ihm die zu ſeinem Amte
noͤthigen Kenntniſſe, ſo wie eine heitere, glei¬
che Thaͤtigkeit, welche ſogar leidenſchaftlich iſt,
indem ſie keinen Augenblick verſaͤumt das Gute
zu wirken — und man wird ihn wohl aus¬
geſtattet haben. Zugleich aber fuͤge man die
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/528>, abgerufen am 10.01.2025.
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