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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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war ein lichter Punct in einem so felsig wal¬
digen Lande. Die Stadt, klein und hüglich,
aber durch den letzten Fürsten wohl ausgeziert,
macht sogleich einen angenehmen Eindruck, weil
die Häuser alle grauweiß angestrichen sind und
die verschiedene Höhe derselben einen mannig¬
faltigen Anblick gewährt. Mitten auf einem
schönen mit ansehnlichen Gebäuden umgebenen
Platze steht die Lutherische Kirche, in einem
kleinen, aber dem Ganzen entsprechenden Ma߬
stabe. Die Vorderseite des Schlosses liegt mit
der Stadt auf ebenem Boden, die Hinterseite
dagegen am Abhange eines steilen Felsens.
Diesen hat man nicht allein terrassenweis ab¬
gearbeitet, um bequem in das Thal zu gelan¬
gen, sondern man hat sich auch unten einen
länglich viereckten Gartenplatz, durch Verdrän¬
gung des Flusses an der einen und durch Ab¬
schroten des Felsens an der andern Seite,
verschafft, worauf denn dieser ganze Raum erst
mit Erde ausgefüllt und bepflanzt worden.
Die Zeit dieser Unternehmung fiel in die

war ein lichter Punct in einem ſo felſig wal¬
digen Lande. Die Stadt, klein und huͤglich,
aber durch den letzten Fuͤrſten wohl ausgeziert,
macht ſogleich einen angenehmen Eindruck, weil
die Haͤuſer alle grauweiß angeſtrichen ſind und
die verſchiedene Hoͤhe derſelben einen mannig¬
faltigen Anblick gewaͤhrt. Mitten auf einem
ſchoͤnen mit anſehnlichen Gebaͤuden umgebenen
Platze ſteht die Lutheriſche Kirche, in einem
kleinen, aber dem Ganzen entſprechenden Ma߬
ſtabe. Die Vorderſeite des Schloſſes liegt mit
der Stadt auf ebenem Boden, die Hinterſeite
dagegen am Abhange eines ſteilen Felſens.
Dieſen hat man nicht allein terraſſenweis ab¬
gearbeitet, um bequem in das Thal zu gelan¬
gen, ſondern man hat ſich auch unten einen
laͤnglich viereckten Gartenplatz, durch Verdraͤn¬
gung des Fluſſes an der einen und durch Ab¬
ſchroten des Felſens an der andern Seite,
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mit Erde ausgefuͤllt und bepflanzt worden.
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[500/0508] war ein lichter Punct in einem ſo felſig wal¬ digen Lande. Die Stadt, klein und huͤglich, aber durch den letzten Fuͤrſten wohl ausgeziert, macht ſogleich einen angenehmen Eindruck, weil die Haͤuſer alle grauweiß angeſtrichen ſind und die verſchiedene Hoͤhe derſelben einen mannig¬ faltigen Anblick gewaͤhrt. Mitten auf einem ſchoͤnen mit anſehnlichen Gebaͤuden umgebenen Platze ſteht die Lutheriſche Kirche, in einem kleinen, aber dem Ganzen entſprechenden Ma߬ ſtabe. Die Vorderſeite des Schloſſes liegt mit der Stadt auf ebenem Boden, die Hinterſeite dagegen am Abhange eines ſteilen Felſens. Dieſen hat man nicht allein terraſſenweis ab¬ gearbeitet, um bequem in das Thal zu gelan¬ gen, ſondern man hat ſich auch unten einen laͤnglich viereckten Gartenplatz, durch Verdraͤn¬ gung des Fluſſes an der einen und durch Ab¬ ſchroten des Felſens an der andern Seite, verſchafft, worauf denn dieſer ganze Raum erſt mit Erde ausgefuͤllt und bepflanzt worden. Die Zeit dieſer Unternehmung fiel in die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/508>, abgerufen am 11.06.2024.