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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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mit jüngeren Freunden, wo nicht auch mit
älteren Personen, in ein solches wechselseiti¬
ges Schönethun, Geltenlassen, Heben und
Tragen zu gerathen. In meiner Sphäre
konnte das was ich hervorbrachte immer für
gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬
de, Gönner werden nicht schlecht finden was
man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet;
aus solchen Verbindlichkeiten entspringt zuletzt
der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬
ander, in dessen Phrasen sich ein Character
leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit
zu höherer Tüchtigkeit gestählt wird.

Und so hatte ich von Glück zu sagen,
daß, durch eine unerwartete Bekanntschaft,
alles was in mir von Selbstgefälligkeit, Be¬
spiegelungslust, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬
muth ruhen oder wirken mochte, einer sehr
harten Prüfung ausgesetzt ward, die in ihrer
Art einzig, der Zeit keineswegs gemäß, und
nur desto eindringender und empfindlicher war.

mit juͤngeren Freunden, wo nicht auch mit
aͤlteren Perſonen, in ein ſolches wechſelſeiti¬
ges Schoͤnethun, Geltenlaſſen, Heben und
Tragen zu gerathen. In meiner Sphaͤre
konnte das was ich hervorbrachte immer fuͤr
gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬
de, Goͤnner werden nicht ſchlecht finden was
man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet;
aus ſolchen Verbindlichkeiten entſpringt zuletzt
der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬
ander, in deſſen Phraſen ſich ein Character
leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit
zu hoͤherer Tuͤchtigkeit geſtaͤhlt wird.

Und ſo hatte ich von Gluͤck zu ſagen,
daß, durch eine unerwartete Bekanntſchaft,
alles was in mir von Selbſtgefaͤlligkeit, Be¬
ſpiegelungsluſt, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬
muth ruhen oder wirken mochte, einer ſehr
harten Pruͤfung ausgeſetzt ward, die in ihrer
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[458/0466] mit juͤngeren Freunden, wo nicht auch mit aͤlteren Perſonen, in ein ſolches wechſelſeiti¬ ges Schoͤnethun, Geltenlaſſen, Heben und Tragen zu gerathen. In meiner Sphaͤre konnte das was ich hervorbrachte immer fuͤr gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬ de, Goͤnner werden nicht ſchlecht finden was man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet; aus ſolchen Verbindlichkeiten entſpringt zuletzt der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬ ander, in deſſen Phraſen ſich ein Character leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit zu hoͤherer Tuͤchtigkeit geſtaͤhlt wird. Und ſo hatte ich von Gluͤck zu ſagen, daß, durch eine unerwartete Bekanntſchaft, alles was in mir von Selbſtgefaͤlligkeit, Be¬ ſpiegelungsluſt, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬ muth ruhen oder wirken mochte, einer ſehr harten Pruͤfung ausgeſetzt ward, die in ihrer Art einzig, der Zeit keineswegs gemaͤß, und nur deſto eindringender und empfindlicher war.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/466>, abgerufen am 22.11.2024.