mit jüngeren Freunden, wo nicht auch mit älteren Personen, in ein solches wechselseiti¬ ges Schönethun, Geltenlassen, Heben und Tragen zu gerathen. In meiner Sphäre konnte das was ich hervorbrachte immer für gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬ de, Gönner werden nicht schlecht finden was man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet; aus solchen Verbindlichkeiten entspringt zuletzt der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬ ander, in dessen Phrasen sich ein Character leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit zu höherer Tüchtigkeit gestählt wird.
Und so hatte ich von Glück zu sagen, daß, durch eine unerwartete Bekanntschaft, alles was in mir von Selbstgefälligkeit, Be¬ spiegelungslust, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬ muth ruhen oder wirken mochte, einer sehr harten Prüfung ausgesetzt ward, die in ihrer Art einzig, der Zeit keineswegs gemäß, und nur desto eindringender und empfindlicher war.
mit juͤngeren Freunden, wo nicht auch mit aͤlteren Perſonen, in ein ſolches wechſelſeiti¬ ges Schoͤnethun, Geltenlaſſen, Heben und Tragen zu gerathen. In meiner Sphaͤre konnte das was ich hervorbrachte immer fuͤr gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬ de, Goͤnner werden nicht ſchlecht finden was man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet; aus ſolchen Verbindlichkeiten entſpringt zuletzt der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬ ander, in deſſen Phraſen ſich ein Character leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit zu hoͤherer Tuͤchtigkeit geſtaͤhlt wird.
Und ſo hatte ich von Gluͤck zu ſagen, daß, durch eine unerwartete Bekanntſchaft, alles was in mir von Selbſtgefaͤlligkeit, Be¬ ſpiegelungsluſt, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬ muth ruhen oder wirken mochte, einer ſehr harten Pruͤfung ausgeſetzt ward, die in ihrer Art einzig, der Zeit keineswegs gemaͤß, und nur deſto eindringender und empfindlicher war.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0466"n="458"/>
mit juͤngeren Freunden, wo nicht auch mit<lb/>
aͤlteren Perſonen, in ein ſolches wechſelſeiti¬<lb/>
ges Schoͤnethun, Geltenlaſſen, Heben und<lb/>
Tragen zu gerathen. In meiner Sphaͤre<lb/>
konnte das was ich hervorbrachte immer fuͤr<lb/>
gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬<lb/>
de, Goͤnner werden nicht ſchlecht finden was<lb/>
man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet;<lb/>
aus ſolchen Verbindlichkeiten entſpringt zuletzt<lb/>
der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬<lb/>
ander, in deſſen Phraſen ſich ein Character<lb/>
leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit<lb/>
zu hoͤherer Tuͤchtigkeit geſtaͤhlt wird.</p><lb/><p>Und ſo hatte ich von Gluͤck zu ſagen,<lb/>
daß, durch eine unerwartete Bekanntſchaft,<lb/>
alles was in mir von Selbſtgefaͤlligkeit, Be¬<lb/>ſpiegelungsluſt, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬<lb/>
muth ruhen oder wirken mochte, einer ſehr<lb/>
harten Pruͤfung ausgeſetzt ward, die in ihrer<lb/>
Art einzig, der Zeit keineswegs gemaͤß, und<lb/>
nur deſto eindringender und empfindlicher war.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[458/0466]
mit juͤngeren Freunden, wo nicht auch mit
aͤlteren Perſonen, in ein ſolches wechſelſeiti¬
ges Schoͤnethun, Geltenlaſſen, Heben und
Tragen zu gerathen. In meiner Sphaͤre
konnte das was ich hervorbrachte immer fuͤr
gut gehalten werden. Frauenzimmer, Freun¬
de, Goͤnner werden nicht ſchlecht finden was
man ihnen zu Liebe unternimmt und dichtet;
aus ſolchen Verbindlichkeiten entſpringt zuletzt
der Ausdruck eines leeren Behagens an ein¬
ander, in deſſen Phraſen ſich ein Character
leicht verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit
zu hoͤherer Tuͤchtigkeit geſtaͤhlt wird.
Und ſo hatte ich von Gluͤck zu ſagen,
daß, durch eine unerwartete Bekanntſchaft,
alles was in mir von Selbſtgefaͤlligkeit, Be¬
ſpiegelungsluſt, Eitelkeit, Stolz und Hoch¬
muth ruhen oder wirken mochte, einer ſehr
harten Pruͤfung ausgeſetzt ward, die in ihrer
Art einzig, der Zeit keineswegs gemaͤß, und
nur deſto eindringender und empfindlicher war.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/466>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.