Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

mich mit Gurgeln und Pinseln, und konnte
mich von dieser Noth nicht befreyen. End¬
lich ward ich wie durch eine Eingebung ge¬
wahr, daß ich bey dem Aetzen nicht vorsichtig
genug gewesen und daß ich, indem ich es öf¬
ters und leidenschaftlich wiederholt, mir die¬
ses Uebel zugezogen und solches immer wie¬
der erneuert und vermehrt. Den Aerzten
war die Sache plausibel und gar bald gewiß,
indem ich das Radiren und Aetzen um so
mehr unterließ, als der Versuch keineswegs
gut ausgefallen war, und ich eher Ursache
hatte meine Arbeit zu verbergen als vorzu¬
zeigen, worüber ich mich um so leichter trö¬
stete, als ich mich von dem beschwerlichen Uebel
sehr bald befreyt sah. Dabey konnte ich
mich doch der Betrachtung nicht enthalten,
daß wohl die ähnlichen Beschäftigungen in
Leipzig manches möchten zu jenen Uebeln bey¬
getragen haben, an denen ich soviel gelit¬
ten hatte. Freylich ist es eine langweilige
und mitunter traurige Sache, zu sehr auf

mich mit Gurgeln und Pinſeln, und konnte
mich von dieſer Noth nicht befreyen. End¬
lich ward ich wie durch eine Eingebung ge¬
wahr, daß ich bey dem Aetzen nicht vorſichtig
genug geweſen und daß ich, indem ich es oͤf¬
ters und leidenſchaftlich wiederholt, mir die¬
ſes Uebel zugezogen und ſolches immer wie¬
der erneuert und vermehrt. Den Aerzten
war die Sache plauſibel und gar bald gewiß,
indem ich das Radiren und Aetzen um ſo
mehr unterließ, als der Verſuch keineswegs
gut ausgefallen war, und ich eher Urſache
hatte meine Arbeit zu verbergen als vorzu¬
zeigen, woruͤber ich mich um ſo leichter troͤ¬
ſtete, als ich mich von dem beſchwerlichen Uebel
ſehr bald befreyt ſah. Dabey konnte ich
mich doch der Betrachtung nicht enthalten,
daß wohl die aͤhnlichen Beſchaͤftigungen in
Leipzig manches moͤchten zu jenen Uebeln bey¬
getragen haben, an denen ich ſoviel gelit¬
ten hatte. Freylich iſt es eine langweilige
und mitunter traurige Sache, zu ſehr auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="325"/>
mich mit Gurgeln und Pin&#x017F;eln, und konnte<lb/>
mich von die&#x017F;er Noth nicht befreyen. End¬<lb/>
lich ward ich wie durch eine Eingebung ge¬<lb/>
wahr, daß ich bey dem Aetzen nicht vor&#x017F;ichtig<lb/>
genug gewe&#x017F;en und daß ich, indem ich es o&#x0364;<lb/>
ters und leiden&#x017F;chaftlich wiederholt, mir die¬<lb/>
&#x017F;es Uebel zugezogen und &#x017F;olches immer wie¬<lb/>
der erneuert und vermehrt. Den Aerzten<lb/>
war die Sache plau&#x017F;ibel und gar bald gewiß,<lb/>
indem ich das Radiren und Aetzen um &#x017F;o<lb/>
mehr unterließ, als der Ver&#x017F;uch keineswegs<lb/>
gut ausgefallen war, und ich eher Ur&#x017F;ache<lb/>
hatte meine Arbeit zu verbergen als vorzu¬<lb/>
zeigen, woru&#x0364;ber ich mich um &#x017F;o leichter tro&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;tete, als ich mich von dem be&#x017F;chwerlichen Uebel<lb/>
&#x017F;ehr bald befreyt &#x017F;ah. Dabey konnte ich<lb/>
mich doch der Betrachtung nicht enthalten,<lb/>
daß wohl die a&#x0364;hnlichen Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen in<lb/>
Leipzig manches mo&#x0364;chten zu jenen Uebeln bey¬<lb/>
getragen haben, an denen ich &#x017F;oviel gelit¬<lb/>
ten hatte. Freylich i&#x017F;t es eine langweilige<lb/>
und mitunter traurige Sache, zu &#x017F;ehr auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0333] mich mit Gurgeln und Pinſeln, und konnte mich von dieſer Noth nicht befreyen. End¬ lich ward ich wie durch eine Eingebung ge¬ wahr, daß ich bey dem Aetzen nicht vorſichtig genug geweſen und daß ich, indem ich es oͤf¬ ters und leidenſchaftlich wiederholt, mir die¬ ſes Uebel zugezogen und ſolches immer wie¬ der erneuert und vermehrt. Den Aerzten war die Sache plauſibel und gar bald gewiß, indem ich das Radiren und Aetzen um ſo mehr unterließ, als der Verſuch keineswegs gut ausgefallen war, und ich eher Urſache hatte meine Arbeit zu verbergen als vorzu¬ zeigen, woruͤber ich mich um ſo leichter troͤ¬ ſtete, als ich mich von dem beſchwerlichen Uebel ſehr bald befreyt ſah. Dabey konnte ich mich doch der Betrachtung nicht enthalten, daß wohl die aͤhnlichen Beſchaͤftigungen in Leipzig manches moͤchten zu jenen Uebeln bey¬ getragen haben, an denen ich ſoviel gelit¬ ten hatte. Freylich iſt es eine langweilige und mitunter traurige Sache, zu ſehr auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/333
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/333>, abgerufen am 28.11.2024.