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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Abends, wo wir sehr vergnügt zusammen wa¬
ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬
zulassen. Mit dem Schlage Zehn stand jener
auf und empfahl sich. Behrisch rief ihn an
und bat, einen Augenblick zu warten, weil
er gleich mit gehen wolle. Nun begann er
auf die anmuthigste Weise erst nach seinem
Degen zu suchen, der doch ganz vor den Au¬
gen stand, und gebärdete sich beym Anschnal¬
len desselben so ungeschickt, daß er damit nie¬
mals zu Stande kommen konnte. Er machte
es auch Anfangs so natürlich, daß Niemand
ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das
Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß
der Degen bald auf die rechte Seite, bald
zwischen die Beine kam, so entstand ein all¬
gemeines Gelächter, in das der Forteilende,
welcher gleichfalls ein lustiger Geselle war, mit
einstimmte, und Behrisch so lange gewähren
ließ, bis die Schäferstunde vorüber war, da
denn nun erst eine gemeinsame Lust und ver¬

Abends, wo wir ſehr vergnuͤgt zuſammen wa¬
ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬
zulaſſen. Mit dem Schlage Zehn ſtand jener
auf und empfahl ſich. Behriſch rief ihn an
und bat, einen Augenblick zu warten, weil
er gleich mit gehen wolle. Nun begann er
auf die anmuthigſte Weiſe erſt nach ſeinem
Degen zu ſuchen, der doch ganz vor den Au¬
gen ſtand, und gebaͤrdete ſich beym Anſchnal¬
len deſſelben ſo ungeſchickt, daß er damit nie¬
mals zu Stande kommen konnte. Er machte
es auch Anfangs ſo natuͤrlich, daß Niemand
ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das
Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß
der Degen bald auf die rechte Seite, bald
zwiſchen die Beine kam, ſo entſtand ein all¬
gemeines Gelaͤchter, in das der Forteilende,
welcher gleichfalls ein luſtiger Geſelle war, mit
einſtimmte, und Behriſch ſo lange gewaͤhren
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[220/0228] Abends, wo wir ſehr vergnuͤgt zuſammen wa¬ ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬ zulaſſen. Mit dem Schlage Zehn ſtand jener auf und empfahl ſich. Behriſch rief ihn an und bat, einen Augenblick zu warten, weil er gleich mit gehen wolle. Nun begann er auf die anmuthigſte Weiſe erſt nach ſeinem Degen zu ſuchen, der doch ganz vor den Au¬ gen ſtand, und gebaͤrdete ſich beym Anſchnal¬ len deſſelben ſo ungeſchickt, daß er damit nie¬ mals zu Stande kommen konnte. Er machte es auch Anfangs ſo natuͤrlich, daß Niemand ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß der Degen bald auf die rechte Seite, bald zwiſchen die Beine kam, ſo entſtand ein all¬ gemeines Gelaͤchter, in das der Forteilende, welcher gleichfalls ein luſtiger Geſelle war, mit einſtimmte, und Behriſch ſo lange gewaͤhren ließ, bis die Schaͤferſtunde voruͤber war, da denn nun erſt eine gemeinſame Luſt und ver¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/228>, abgerufen am 25.11.2024.