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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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hatte, küßte sie mich auf die Stirn. Es
war das erste und letzte Mal, daß sie mir
diese Gunst erwies: denn leider sollte ich sie
nicht wiedersehen.

Den andern Morgen lag ich noch im
Bette, als meine Mutter verstört und ängst¬
lich hereintrat. Man konnte es ihr gar
leicht ansehen, wenn sie sich irgend bedrängt
fühlte. -- "Steh auf, sagte sie, und mache
dich auf etwas Unangenehmes gefaßt. Es
ist herausgekommen, daß du sehr schlechte
Gesellschaft besuchst und dich in die gefähr¬
lichsten und schlimmsten Händel verwickelt
hast. Der Vater ist außer sich, und wir
haben nur soviel von ihm erlangt, daß er
die Sache durch einen Dritten untersuchen
will. Bleib auf deinem Zimmer und erwarte
was bevorsteht. Der Rath Schneider wird
zu dir kommen; er hat sowohl vom Vater
als von der Obrigkeit den Auftrag: denn

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hatte, kuͤßte ſie mich auf die Stirn. Es
war das erſte und letzte Mal, daß ſie mir
dieſe Gunſt erwies: denn leider ſollte ich ſie
nicht wiederſehen.

Den andern Morgen lag ich noch im
Bette, als meine Mutter verſtoͤrt und aͤngſt¬
lich hereintrat. Man konnte es ihr gar
leicht anſehen, wenn ſie ſich irgend bedraͤngt
fuͤhlte. — „Steh auf, ſagte ſie, und mache
dich auf etwas Unangenehmes gefaßt. Es
iſt herausgekommen, daß du ſehr ſchlechte
Geſellſchaft beſuchſt und dich in die gefaͤhr¬
lichſten und ſchlimmſten Haͤndel verwickelt
haſt. Der Vater iſt außer ſich, und wir
haben nur ſoviel von ihm erlangt, daß er
die Sache durch einen Dritten unterſuchen
will. Bleib auf deinem Zimmer und erwarte
was bevorſteht. Der Rath Schneider wird
zu dir kommen; er hat ſowohl vom Vater
als von der Obrigkeit den Auftrag: denn

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[499/0515] hatte, kuͤßte ſie mich auf die Stirn. Es war das erſte und letzte Mal, daß ſie mir dieſe Gunſt erwies: denn leider ſollte ich ſie nicht wiederſehen. Den andern Morgen lag ich noch im Bette, als meine Mutter verſtoͤrt und aͤngſt¬ lich hereintrat. Man konnte es ihr gar leicht anſehen, wenn ſie ſich irgend bedraͤngt fuͤhlte. — „Steh auf, ſagte ſie, und mache dich auf etwas Unangenehmes gefaßt. Es iſt herausgekommen, daß du ſehr ſchlechte Geſellſchaft beſuchſt und dich in die gefaͤhr¬ lichſten und ſchlimmſten Haͤndel verwickelt haſt. Der Vater iſt außer ſich, und wir haben nur ſoviel von ihm erlangt, daß er die Sache durch einen Dritten unterſuchen will. Bleib auf deinem Zimmer und erwarte was bevorſteht. Der Rath Schneider wird zu dir kommen; er hat ſowohl vom Vater als von der Obrigkeit den Auftrag: denn 32 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/515>, abgerufen am 21.11.2024.