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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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hinunter an die große Römerstiege, wo die
aus der Ferne angestaunte so vornehme als
herrliche Masse heraufwallen sollte. Das
Gedräng war nicht groß, weil die Zugänge
des Rathhauses wohl besetzt waren, und ich
kam glücklich unmittelbar oben an das eiserne
Geländer. Nun stiegen die Hauptpersonen
an mir vorüber, indem das Gefolge in den
untern Gewölbgängen zurückblieb, und ich
konnte sie auf der dreymal gebrochnen Treppe
von allen Seiten und zuletzt ganz in der Nä¬
he betrachten.

Endlich kamen auch die beyden Maje¬
stäten herauf. Vater und Sohn waren wie
Menächmen überein gekleidet. Des Kaisers
Hausornat von purpurfarbner Seide, mit
Perlen und Steinen reich geziert, so wie Kro¬
ne, Scepter und Reichsapfel, fielen wohl in
die Augen: denn alles war neu daran, und
die Nachahmung des Alterthums geschmackvoll.
So bewegte er sich auch in seinem Anzuge

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hinunter an die große Roͤmerſtiege, wo die
aus der Ferne angeſtaunte ſo vornehme als
herrliche Maſſe heraufwallen ſollte. Das
Gedraͤng war nicht groß, weil die Zugaͤnge
des Rathhauſes wohl beſetzt waren, und ich
kam gluͤcklich unmittelbar oben an das eiſerne
Gelaͤnder. Nun ſtiegen die Hauptperſonen
an mir voruͤber, indem das Gefolge in den
untern Gewoͤlbgaͤngen zuruͤckblieb, und ich
konnte ſie auf der dreymal gebrochnen Treppe
von allen Seiten und zuletzt ganz in der Naͤ¬
he betrachten.

Endlich kamen auch die beyden Maje¬
ſtaͤten herauf. Vater und Sohn waren wie
Menaͤchmen uͤberein gekleidet. Des Kaiſers
Hausornat von purpurfarbner Seide, mit
Perlen und Steinen reich geziert, ſo wie Kro¬
ne, Scepter und Reichsapfel, fielen wohl in
die Augen: denn alles war neu daran, und
die Nachahmung des Alterthums geſchmackvoll.
So bewegte er ſich auch in ſeinem Anzuge

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[483/0499] hinunter an die große Roͤmerſtiege, wo die aus der Ferne angeſtaunte ſo vornehme als herrliche Maſſe heraufwallen ſollte. Das Gedraͤng war nicht groß, weil die Zugaͤnge des Rathhauſes wohl beſetzt waren, und ich kam gluͤcklich unmittelbar oben an das eiſerne Gelaͤnder. Nun ſtiegen die Hauptperſonen an mir voruͤber, indem das Gefolge in den untern Gewoͤlbgaͤngen zuruͤckblieb, und ich konnte ſie auf der dreymal gebrochnen Treppe von allen Seiten und zuletzt ganz in der Naͤ¬ he betrachten. Endlich kamen auch die beyden Maje¬ ſtaͤten herauf. Vater und Sohn waren wie Menaͤchmen uͤberein gekleidet. Des Kaiſers Hausornat von purpurfarbner Seide, mit Perlen und Steinen reich geziert, ſo wie Kro¬ ne, Scepter und Reichsapfel, fielen wohl in die Augen: denn alles war neu daran, und die Nachahmung des Alterthums geſchmackvoll. So bewegte er ſich auch in ſeinem Anzuge 31 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/499>, abgerufen am 24.11.2024.