Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

gefangen. Andere hätten als arme Handlungs¬
diener sich ihren Patronen nothwendig gemacht,
und wären endlich zu ihren Schwiegersöhnen
erhoben worden; noch andre hätten einen klei¬
nen Kram mit Schwefelfaden und dergleichen
so erweitert und veredelt, daß sie nun als
reiche Kauf- und Handelsmänner erschienen.
Besonders sollte jungen Leuten, die gut auf
den Beinen wären, das Beyläufer- und
Mäklerhandwerk und die Uebernahme von al¬
lerley Aufträgen und Besorgungen für unbe¬
hülfliche Wohlhabende, durchaus ernährend
und einträglich seyn. Wir alle hörten das
gern, und Jeder dünkte sich etwas, wenn er
sich in dem Augenblick vorstellte, daß in ihm
selbst so viel verhanden sey, nicht nur um in
der Welt fortzukommen, sondern sogar ein
außerordentliches Glück zu machen. Niemand
jedoch schien dieß Gespräch ernstlicher zu füh¬
ren, als Pylades, der zuletzt gestand, daß
er ein Mädchen außerordentlich liebe und
sich wirklich mit ihr versprochen habe. Die

gefangen. Andere haͤtten als arme Handlungs¬
diener ſich ihren Patronen nothwendig gemacht,
und waͤren endlich zu ihren Schwiegerſoͤhnen
erhoben worden; noch andre haͤtten einen klei¬
nen Kram mit Schwefelfaden und dergleichen
ſo erweitert und veredelt, daß ſie nun als
reiche Kauf- und Handelsmaͤnner erſchienen.
Beſonders ſollte jungen Leuten, die gut auf
den Beinen waͤren, das Beylaͤufer- und
Maͤklerhandwerk und die Uebernahme von al¬
lerley Auftraͤgen und Beſorgungen fuͤr unbe¬
huͤlfliche Wohlhabende, durchaus ernaͤhrend
und eintraͤglich ſeyn. Wir alle hoͤrten das
gern, und Jeder duͤnkte ſich etwas, wenn er
ſich in dem Augenblick vorſtellte, daß in ihm
ſelbſt ſo viel verhanden ſey, nicht nur um in
der Welt fortzukommen, ſondern ſogar ein
außerordentliches Gluͤck zu machen. Niemand
jedoch ſchien dieß Geſpraͤch ernſtlicher zu fuͤh¬
ren, als Pylades, der zuletzt geſtand, daß
er ein Maͤdchen außerordentlich liebe und
ſich wirklich mit ihr verſprochen habe. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0426" n="410"/>
gefangen. Andere ha&#x0364;tten als arme Handlungs¬<lb/>
diener &#x017F;ich ihren Patronen nothwendig gemacht,<lb/>
und wa&#x0364;ren endlich zu ihren Schwieger&#x017F;o&#x0364;hnen<lb/>
erhoben worden; noch andre ha&#x0364;tten einen klei¬<lb/>
nen Kram mit Schwefelfaden und dergleichen<lb/>
&#x017F;o erweitert und veredelt, daß &#x017F;ie nun als<lb/>
reiche Kauf- und Handelsma&#x0364;nner er&#x017F;chienen.<lb/>
Be&#x017F;onders &#x017F;ollte jungen Leuten, die gut auf<lb/>
den Beinen wa&#x0364;ren, das Beyla&#x0364;ufer- und<lb/>
Ma&#x0364;klerhandwerk und die Uebernahme von al¬<lb/>
lerley Auftra&#x0364;gen und Be&#x017F;orgungen fu&#x0364;r unbe¬<lb/>
hu&#x0364;lfliche Wohlhabende, durchaus erna&#x0364;hrend<lb/>
und eintra&#x0364;glich &#x017F;eyn. Wir alle ho&#x0364;rten das<lb/>
gern, und Jeder du&#x0364;nkte &#x017F;ich etwas, wenn er<lb/>
&#x017F;ich in dem Augenblick vor&#x017F;tellte, daß in ihm<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o viel verhanden &#x017F;ey, nicht nur um in<lb/>
der Welt fortzukommen, &#x017F;ondern &#x017F;ogar ein<lb/>
außerordentliches Glu&#x0364;ck zu machen. Niemand<lb/>
jedoch &#x017F;chien dieß Ge&#x017F;pra&#x0364;ch ern&#x017F;tlicher zu fu&#x0364;<lb/>
ren, als Pylades, der zuletzt ge&#x017F;tand, daß<lb/>
er ein Ma&#x0364;dchen außerordentlich liebe und<lb/>
&#x017F;ich wirklich mit ihr ver&#x017F;prochen habe. Die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0426] gefangen. Andere haͤtten als arme Handlungs¬ diener ſich ihren Patronen nothwendig gemacht, und waͤren endlich zu ihren Schwiegerſoͤhnen erhoben worden; noch andre haͤtten einen klei¬ nen Kram mit Schwefelfaden und dergleichen ſo erweitert und veredelt, daß ſie nun als reiche Kauf- und Handelsmaͤnner erſchienen. Beſonders ſollte jungen Leuten, die gut auf den Beinen waͤren, das Beylaͤufer- und Maͤklerhandwerk und die Uebernahme von al¬ lerley Auftraͤgen und Beſorgungen fuͤr unbe¬ huͤlfliche Wohlhabende, durchaus ernaͤhrend und eintraͤglich ſeyn. Wir alle hoͤrten das gern, und Jeder duͤnkte ſich etwas, wenn er ſich in dem Augenblick vorſtellte, daß in ihm ſelbſt ſo viel verhanden ſey, nicht nur um in der Welt fortzukommen, ſondern ſogar ein außerordentliches Gluͤck zu machen. Niemand jedoch ſchien dieß Geſpraͤch ernſtlicher zu fuͤh¬ ren, als Pylades, der zuletzt geſtand, daß er ein Maͤdchen außerordentlich liebe und ſich wirklich mit ihr verſprochen habe. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/426
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/426>, abgerufen am 02.09.2024.