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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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den und Tagen auch die Bewegungen von
Sonne und Mond anzeigte, ließ er nach sei¬
ner Angabe verfertigen. Sonntags früh um
Zehn zog er sie jedesmal selbst auf, welches er
um so gewisser thun konnte, als er niemals in
die Kirche ging. Gesellschaft oder Gäste habe
ich nie bey ihm gesehen. Angezogen und aus
dem Hause gehend erinnere ich mir ihn in
zehn Jahren kaum zweymal.

Die verschiedenen Unterhaltungen mit die¬
sen Männern waren nicht unbedeutend, und je¬
der wirkte auf mich nach seiner Weise. Für
einen jeden hatte ich so viel, oft noch mehr
Aufmerksamkeit als die eigenen Kinder, und
jeder suchte an mir, als an einem geliebten
Sohne, sein Wohlgefallen zu vermehren, in¬
dem er an mir sein moralisches Ebenbild her¬
zustellen trachtete. Olenschlager wollte mich
zum Hofmann, Reineck zum diplomatischen
Geschäftsmann bilden, beyde, besonders letz¬
terer, suchten mir Poesie und Schriftstelle¬

den und Tagen auch die Bewegungen von
Sonne und Mond anzeigte, ließ er nach ſei¬
ner Angabe verfertigen. Sonntags fruͤh um
Zehn zog er ſie jedesmal ſelbſt auf, welches er
um ſo gewiſſer thun konnte, als er niemals in
die Kirche ging. Geſellſchaft oder Gaͤſte habe
ich nie bey ihm geſehen. Angezogen und aus
dem Hauſe gehend erinnere ich mir ihn in
zehn Jahren kaum zweymal.

Die verſchiedenen Unterhaltungen mit die¬
ſen Maͤnnern waren nicht unbedeutend, und je¬
der wirkte auf mich nach ſeiner Weiſe. Fuͤr
einen jeden hatte ich ſo viel, oft noch mehr
Aufmerkſamkeit als die eigenen Kinder, und
jeder ſuchte an mir, als an einem geliebten
Sohne, ſein Wohlgefallen zu vermehren, in¬
dem er an mir ſein moraliſches Ebenbild her¬
zuſtellen trachtete. Olenſchlager wollte mich
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[382/0398] den und Tagen auch die Bewegungen von Sonne und Mond anzeigte, ließ er nach ſei¬ ner Angabe verfertigen. Sonntags fruͤh um Zehn zog er ſie jedesmal ſelbſt auf, welches er um ſo gewiſſer thun konnte, als er niemals in die Kirche ging. Geſellſchaft oder Gaͤſte habe ich nie bey ihm geſehen. Angezogen und aus dem Hauſe gehend erinnere ich mir ihn in zehn Jahren kaum zweymal. Die verſchiedenen Unterhaltungen mit die¬ ſen Maͤnnern waren nicht unbedeutend, und je¬ der wirkte auf mich nach ſeiner Weiſe. Fuͤr einen jeden hatte ich ſo viel, oft noch mehr Aufmerkſamkeit als die eigenen Kinder, und jeder ſuchte an mir, als an einem geliebten Sohne, ſein Wohlgefallen zu vermehren, in¬ dem er an mir ſein moraliſches Ebenbild her¬ zuſtellen trachtete. Olenſchlager wollte mich zum Hofmann, Reineck zum diplomatiſchen Geſchaͤftsmann bilden, beyde, beſonders letz¬ terer, ſuchten mir Poeſie und Schriftſtelle¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/398>, abgerufen am 24.11.2024.