Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Hasen nach dem andern laufen (dieß
war unsre sprüchwörtliche Redensart, wenn
ein Gespräch sollte unterbrochen und auf einen
andern Gegenstand gelenkt werden); allein es
wollte nichts verfangen: die alten Herren
waren ganz stumm geworden, und wir fürch¬
teten jeden Augenblick, von Reineck möchte
jenen Act wiederholen; da wäre es denn
um uns alle geschehn gewesen. Die beyden
Hausfreunde hielten ihre Herren auseinan¬
der, indem sie selbige bald da bald dort
beschäftigten, und das klügste war, daß wir
endlich aufzubrechen Anstalt machten; und so
mußten wir leider den reizenden Credenztisch
ungenossen mit dem Rücken ansehen.

Hofrath Huisgen, nicht von Frankfurt
gebürtig, reformirter Religion und deswegen
keiner öffentlichen Stelle noch auch der Advo¬
catur fähig, die er jedoch, weil man ihm als
vortrefflichem Juristen viel Vertrauen schenkte,
unter fremder Signatur ganz gelassen sowohl in

einen Haſen nach dem andern laufen (dieß
war unſre ſpruͤchwoͤrtliche Redensart, wenn
ein Geſpraͤch ſollte unterbrochen und auf einen
andern Gegenſtand gelenkt werden); allein es
wollte nichts verfangen: die alten Herren
waren ganz ſtumm geworden, und wir fuͤrch¬
teten jeden Augenblick, von Reineck moͤchte
jenen Act wiederholen; da waͤre es denn
um uns alle geſchehn geweſen. Die beyden
Hausfreunde hielten ihre Herren auseinan¬
der, indem ſie ſelbige bald da bald dort
beſchaͤftigten, und das kluͤgſte war, daß wir
endlich aufzubrechen Anſtalt machten; und ſo
mußten wir leider den reizenden Credenztiſch
ungenoſſen mit dem Ruͤcken anſehen.

Hofrath Huisgen, nicht von Frankfurt
gebuͤrtig, reformirter Religion und deswegen
keiner oͤffentlichen Stelle noch auch der Advo¬
catur faͤhig, die er jedoch, weil man ihm als
vortrefflichem Juriſten viel Vertrauen ſchenkte,
unter fremder Signatur ganz gelaſſen ſowohl in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="378"/>
einen Ha&#x017F;en nach dem andern laufen (dieß<lb/>
war un&#x017F;re &#x017F;pru&#x0364;chwo&#x0364;rtliche Redensart, wenn<lb/>
ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch &#x017F;ollte unterbrochen und auf einen<lb/>
andern Gegen&#x017F;tand gelenkt werden); allein es<lb/>
wollte nichts verfangen: die alten Herren<lb/>
waren ganz &#x017F;tumm geworden, und wir fu&#x0364;rch¬<lb/>
teten jeden Augenblick, von Reineck mo&#x0364;chte<lb/>
jenen Act wiederholen; da wa&#x0364;re es denn<lb/>
um uns alle ge&#x017F;chehn gewe&#x017F;en. Die beyden<lb/>
Hausfreunde hielten ihre Herren auseinan¬<lb/>
der, indem &#x017F;ie &#x017F;elbige bald da bald dort<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigten, und das klu&#x0364;g&#x017F;te war, daß wir<lb/>
endlich aufzubrechen An&#x017F;talt machten; und &#x017F;o<lb/>
mußten wir leider den reizenden Credenzti&#x017F;ch<lb/>
ungeno&#x017F;&#x017F;en mit dem Ru&#x0364;cken an&#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Hofrath <hi rendition="#g">Huisgen</hi>, nicht von Frankfurt<lb/>
gebu&#x0364;rtig, reformirter Religion und deswegen<lb/>
keiner o&#x0364;ffentlichen Stelle noch auch der Advo¬<lb/>
catur fa&#x0364;hig, die er jedoch, weil man ihm als<lb/>
vortrefflichem Juri&#x017F;ten viel Vertrauen &#x017F;chenkte,<lb/>
unter fremder Signatur ganz gela&#x017F;&#x017F;en &#x017F;owohl in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0394] einen Haſen nach dem andern laufen (dieß war unſre ſpruͤchwoͤrtliche Redensart, wenn ein Geſpraͤch ſollte unterbrochen und auf einen andern Gegenſtand gelenkt werden); allein es wollte nichts verfangen: die alten Herren waren ganz ſtumm geworden, und wir fuͤrch¬ teten jeden Augenblick, von Reineck moͤchte jenen Act wiederholen; da waͤre es denn um uns alle geſchehn geweſen. Die beyden Hausfreunde hielten ihre Herren auseinan¬ der, indem ſie ſelbige bald da bald dort beſchaͤftigten, und das kluͤgſte war, daß wir endlich aufzubrechen Anſtalt machten; und ſo mußten wir leider den reizenden Credenztiſch ungenoſſen mit dem Ruͤcken anſehen. Hofrath Huisgen, nicht von Frankfurt gebuͤrtig, reformirter Religion und deswegen keiner oͤffentlichen Stelle noch auch der Advo¬ catur faͤhig, die er jedoch, weil man ihm als vortrefflichem Juriſten viel Vertrauen ſchenkte, unter fremder Signatur ganz gelaſſen ſowohl in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/394
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/394>, abgerufen am 25.11.2024.