Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Reineck war auch ein Nelkenfreund;
die Zeit des Flors war da, und es geschahen
einige Anregungen, ob man sich nicht wech¬
selseitig besuchen wollte. Wir leiteten die
Sache ein und trieben es so lange, bis end¬
lich von Reineck sich entschloß mit uns einen
Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die
Begrüßung der beyden alten Herren war
sehr laconisch, ja blos pantomimisch, und
man ging mit wahrhaft diplomatischem Schritt
an den langen Nelkengerüsten hin und her.
Der Flor war wirklich außerordentlich schön,
und die besondern Formen und Farben der
verschiedenen Blumen, die Vorzüge der einen
vor der andern und ihre Seltenheit machten
denn doch zuletzt eine Art von Gespräch aus,
welches ganz freundlich zu werden schien;
worüber wir andern uns um so mehr freuten,
als wir in einer benachbarten Laube den kost¬
barsten alten Rheinwein in geschliffenen Fla¬
schen, schönes Obst und andre gute Dinge
aufgetischt sahen. Leider aber sollten wir sie

Von Reineck war auch ein Nelkenfreund;
die Zeit des Flors war da, und es geſchahen
einige Anregungen, ob man ſich nicht wech¬
ſelſeitig beſuchen wollte. Wir leiteten die
Sache ein und trieben es ſo lange, bis end¬
lich von Reineck ſich entſchloß mit uns einen
Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die
Begruͤßung der beyden alten Herren war
ſehr laconiſch, ja blos pantomimiſch, und
man ging mit wahrhaft diplomatiſchem Schritt
an den langen Nelkengeruͤſten hin und her.
Der Flor war wirklich außerordentlich ſchoͤn,
und die beſondern Formen und Farben der
verſchiedenen Blumen, die Vorzuͤge der einen
vor der andern und ihre Seltenheit machten
denn doch zuletzt eine Art von Geſpraͤch aus,
welches ganz freundlich zu werden ſchien;
woruͤber wir andern uns um ſo mehr freuten,
als wir in einer benachbarten Laube den koſt¬
barſten alten Rheinwein in geſchliffenen Fla¬
ſchen, ſchoͤnes Obſt und andre gute Dinge
aufgetiſcht ſahen. Leider aber ſollten wir ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0392" n="376"/>
        <p>Von Reineck war auch ein Nelkenfreund;<lb/>
die Zeit des Flors war da, und es ge&#x017F;chahen<lb/>
einige Anregungen, ob man &#x017F;ich nicht wech¬<lb/>
&#x017F;el&#x017F;eitig be&#x017F;uchen wollte. Wir leiteten die<lb/>
Sache ein und trieben es &#x017F;o lange, bis end¬<lb/>
lich von Reineck &#x017F;ich ent&#x017F;chloß mit uns einen<lb/>
Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die<lb/>
Begru&#x0364;ßung der beyden alten Herren war<lb/>
&#x017F;ehr laconi&#x017F;ch, ja blos pantomimi&#x017F;ch, und<lb/>
man ging mit wahrhaft diplomati&#x017F;chem Schritt<lb/>
an den langen Nelkengeru&#x0364;&#x017F;ten hin und her.<lb/>
Der Flor war wirklich außerordentlich &#x017F;cho&#x0364;n,<lb/>
und die be&#x017F;ondern Formen und Farben der<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Blumen, die Vorzu&#x0364;ge der einen<lb/>
vor der andern und ihre Seltenheit machten<lb/>
denn doch zuletzt eine Art von Ge&#x017F;pra&#x0364;ch aus,<lb/>
welches ganz freundlich zu werden &#x017F;chien;<lb/>
woru&#x0364;ber wir andern uns um &#x017F;o mehr freuten,<lb/>
als wir in einer benachbarten Laube den ko&#x017F;<lb/>
bar&#x017F;ten alten Rheinwein in ge&#x017F;chliffenen Fla¬<lb/>
&#x017F;chen, &#x017F;cho&#x0364;nes Ob&#x017F;t und andre gute Dinge<lb/>
aufgeti&#x017F;cht &#x017F;ahen. Leider aber &#x017F;ollten wir &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0392] Von Reineck war auch ein Nelkenfreund; die Zeit des Flors war da, und es geſchahen einige Anregungen, ob man ſich nicht wech¬ ſelſeitig beſuchen wollte. Wir leiteten die Sache ein und trieben es ſo lange, bis end¬ lich von Reineck ſich entſchloß mit uns einen Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die Begruͤßung der beyden alten Herren war ſehr laconiſch, ja blos pantomimiſch, und man ging mit wahrhaft diplomatiſchem Schritt an den langen Nelkengeruͤſten hin und her. Der Flor war wirklich außerordentlich ſchoͤn, und die beſondern Formen und Farben der verſchiedenen Blumen, die Vorzuͤge der einen vor der andern und ihre Seltenheit machten denn doch zuletzt eine Art von Geſpraͤch aus, welches ganz freundlich zu werden ſchien; woruͤber wir andern uns um ſo mehr freuten, als wir in einer benachbarten Laube den koſt¬ barſten alten Rheinwein in geſchliffenen Fla¬ ſchen, ſchoͤnes Obſt und andre gute Dinge aufgetiſcht ſahen. Leider aber ſollten wir ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/392
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/392>, abgerufen am 25.11.2024.