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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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seinen verdrießlichen Sinn zu mildern und
ihn zu irgend einer Zerstreuung zu bereden
wünschten. Wirklich fuhr er nunmehr manch¬
mal mit uns aus, und besah sich die Gegend
wieder, auf die er so viele Jahre keinen
Blick geworfen hatte. Er gedachte der alten
Besitzer, erzählte von ihren Charactern und
Begebenheiten, wo er sich denn immer streng,
aber doch öfters heiter und geistreich erwies.
Wir suchten ihn nun auch wieder unter andere
Menschen zu bringen, welches uns aber bey¬
nah übel gerathen wäre.

Von gleichem, wenn nicht noch von höhe¬
rem Alter als er, war ein Herr von Mala¬
part
, ein reicher Mann, der ein sehr schö¬
nes Haus am Roßmarkt besaß und gute
Einkünfte von Salinen zog. Auch er lebte
sehr abgesondert; doch war er Sommers
viel in seinem Garten vor dem Bockenheimer
Thore, wo er eine sehr schöne Nelkenflor
wartete und pflegte.

ſeinen verdrießlichen Sinn zu mildern und
ihn zu irgend einer Zerſtreuung zu bereden
wuͤnſchten. Wirklich fuhr er nunmehr manch¬
mal mit uns aus, und beſah ſich die Gegend
wieder, auf die er ſo viele Jahre keinen
Blick geworfen hatte. Er gedachte der alten
Beſitzer, erzaͤhlte von ihren Charactern und
Begebenheiten, wo er ſich denn immer ſtreng,
aber doch oͤfters heiter und geiſtreich erwies.
Wir ſuchten ihn nun auch wieder unter andere
Menſchen zu bringen, welches uns aber bey¬
nah uͤbel gerathen waͤre.

Von gleichem, wenn nicht noch von hoͤhe¬
rem Alter als er, war ein Herr von Mala¬
part
, ein reicher Mann, der ein ſehr ſchoͤ¬
nes Haus am Roßmarkt beſaß und gute
Einkuͤnfte von Salinen zog. Auch er lebte
ſehr abgeſondert; doch war er Sommers
viel in ſeinem Garten vor dem Bockenheimer
Thore, wo er eine ſehr ſchoͤne Nelkenflor
wartete und pflegte.

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[375/0391] ſeinen verdrießlichen Sinn zu mildern und ihn zu irgend einer Zerſtreuung zu bereden wuͤnſchten. Wirklich fuhr er nunmehr manch¬ mal mit uns aus, und beſah ſich die Gegend wieder, auf die er ſo viele Jahre keinen Blick geworfen hatte. Er gedachte der alten Beſitzer, erzaͤhlte von ihren Charactern und Begebenheiten, wo er ſich denn immer ſtreng, aber doch oͤfters heiter und geiſtreich erwies. Wir ſuchten ihn nun auch wieder unter andere Menſchen zu bringen, welches uns aber bey¬ nah uͤbel gerathen waͤre. Von gleichem, wenn nicht noch von hoͤhe¬ rem Alter als er, war ein Herr von Mala¬ part, ein reicher Mann, der ein ſehr ſchoͤ¬ nes Haus am Roßmarkt beſaß und gute Einkuͤnfte von Salinen zog. Auch er lebte ſehr abgeſondert; doch war er Sommers viel in ſeinem Garten vor dem Bockenheimer Thore, wo er eine ſehr ſchoͤne Nelkenflor wartete und pflegte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/391>, abgerufen am 22.06.2024.