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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ersten Erzeugnissen des Frühlings bis zu den
letzten des Herbstes, Genuß und Freude hat¬
ten. Wir lernten nun auch mit den Garten¬
geschäften umgehen, die weil sie sich jährlich
wiederholten, uns endlich ganz bekannt und
geläufig wurden. Nach mancherley Früchten
des Sommers und Herbstes war aber doch
zuletzt die Weinlese das Lustigste und am
meisten Erwünschte; ja es ist keine Frage,
daß wie der Wein selbst den Orten und Ge¬
genden, wo er wächst und getrunken wird,
einen freyern Character giebt, so auch diese
Tage der Weinlese, indem sie den Sommer
schließen und zugleich den Winter eröffnen,
eine unglaubliche Heiterkeit verbreiten. Lust
und Jubel erstreckt sich über eine ganze Ge¬
gend. Des Tages hört man von allen Ecken
und Enden Jauchzen und Schießen, und des
Nachts verkünden bald da bald dort Raketen
und Leuchtkugeln, daß man noch überall wach
und munter diese Feyer gern so lange als
möglich ausdehnen möchte. Die nachherigen

erſten Erzeugniſſen des Fruͤhlings bis zu den
letzten des Herbſtes, Genuß und Freude hat¬
ten. Wir lernten nun auch mit den Garten¬
geſchaͤften umgehen, die weil ſie ſich jaͤhrlich
wiederholten, uns endlich ganz bekannt und
gelaͤufig wurden. Nach mancherley Fruͤchten
des Sommers und Herbſtes war aber doch
zuletzt die Weinleſe das Luſtigſte und am
meiſten Erwuͤnſchte; ja es iſt keine Frage,
daß wie der Wein ſelbſt den Orten und Ge¬
genden, wo er waͤchſt und getrunken wird,
einen freyern Character giebt, ſo auch dieſe
Tage der Weinleſe, indem ſie den Sommer
ſchließen und zugleich den Winter eroͤffnen,
eine unglaubliche Heiterkeit verbreiten. Luſt
und Jubel erſtreckt ſich uͤber eine ganze Ge¬
gend. Des Tages hoͤrt man von allen Ecken
und Enden Jauchzen und Schießen, und des
Nachts verkuͤnden bald da bald dort Raketen
und Leuchtkugeln, daß man noch uͤberall wach
und munter dieſe Feyer gern ſo lange als
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[368/0384] erſten Erzeugniſſen des Fruͤhlings bis zu den letzten des Herbſtes, Genuß und Freude hat¬ ten. Wir lernten nun auch mit den Garten¬ geſchaͤften umgehen, die weil ſie ſich jaͤhrlich wiederholten, uns endlich ganz bekannt und gelaͤufig wurden. Nach mancherley Fruͤchten des Sommers und Herbſtes war aber doch zuletzt die Weinleſe das Luſtigſte und am meiſten Erwuͤnſchte; ja es iſt keine Frage, daß wie der Wein ſelbſt den Orten und Ge¬ genden, wo er waͤchſt und getrunken wird, einen freyern Character giebt, ſo auch dieſe Tage der Weinleſe, indem ſie den Sommer ſchließen und zugleich den Winter eroͤffnen, eine unglaubliche Heiterkeit verbreiten. Luſt und Jubel erſtreckt ſich uͤber eine ganze Ge¬ gend. Des Tages hoͤrt man von allen Ecken und Enden Jauchzen und Schießen, und des Nachts verkuͤnden bald da bald dort Raketen und Leuchtkugeln, daß man noch uͤberall wach und munter dieſe Feyer gern ſo lange als moͤglich ausdehnen moͤchte. Die nachherigen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/384>, abgerufen am 26.11.2024.