auf viele Wochen in Unruhe. Wir mußten Zeugen von verschiedenen Executionen seyn, und es ist wohl werth zu gedenken, daß ich auch bey Verbrennung eines Buchs gegenwär¬ tig gewesen bin. Es war der Verlag eines französischen comischen Romans, der zwar den Staat, aber nicht Religion und Sitten schonte. Es hatte wirklich etwas Fürchterli¬ ches, eine Strafe an einem leblosen Wesen ausgeübt zu sehen. Die Ballen platzten im Feuer, und wurden durch Ofengabeln aus ein¬ ander geschürt und mit den Flammen mehr in Berührung gebracht. Es dauerte nicht lange, so flogen die angebrannten Blätter in der Luft herum, und die Menge haschte begierig darnach. Auch ruhten wir nicht, bis wir ein Exemplar auftrieben, und es waren nicht wenige die sich das verbotne Vergnügen gleichfalls zu verschaffen wußten. Ja, wenn es dem Autor um Publicität zu thun war, so hätte er selbst nicht besser dafür sorgen können.
l. 23
auf viele Wochen in Unruhe. Wir mußten Zeugen von verſchiedenen Executionen ſeyn, und es iſt wohl werth zu gedenken, daß ich auch bey Verbrennung eines Buchs gegenwaͤr¬ tig geweſen bin. Es war der Verlag eines franzoͤſiſchen comiſchen Romans, der zwar den Staat, aber nicht Religion und Sitten ſchonte. Es hatte wirklich etwas Fuͤrchterli¬ ches, eine Strafe an einem lebloſen Weſen ausgeuͤbt zu ſehen. Die Ballen platzten im Feuer, und wurden durch Ofengabeln aus ein¬ ander geſchuͤrt und mit den Flammen mehr in Beruͤhrung gebracht. Es dauerte nicht lange, ſo flogen die angebrannten Blaͤtter in der Luft herum, und die Menge haſchte begierig darnach. Auch ruhten wir nicht, bis wir ein Exemplar auftrieben, und es waren nicht wenige die ſich das verbotne Vergnuͤgen gleichfalls zu verſchaffen wußten. Ja, wenn es dem Autor um Publicitaͤt zu thun war, ſo haͤtte er ſelbſt nicht beſſer dafuͤr ſorgen koͤnnen.
l. 23
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0369"n="353"/>
auf viele Wochen in Unruhe. Wir mußten<lb/>
Zeugen von verſchiedenen Executionen ſeyn,<lb/>
und es iſt wohl werth zu gedenken, daß ich<lb/>
auch bey Verbrennung eines Buchs gegenwaͤr¬<lb/>
tig geweſen bin. Es war der Verlag eines<lb/>
franzoͤſiſchen comiſchen Romans, der zwar<lb/>
den Staat, aber nicht Religion und Sitten<lb/>ſchonte. Es hatte wirklich etwas Fuͤrchterli¬<lb/>
ches, eine Strafe an einem lebloſen Weſen<lb/>
ausgeuͤbt zu ſehen. Die Ballen platzten im<lb/>
Feuer, und wurden durch Ofengabeln aus ein¬<lb/>
ander geſchuͤrt und mit den Flammen mehr<lb/>
in Beruͤhrung gebracht. Es dauerte nicht<lb/>
lange, ſo flogen die angebrannten Blaͤtter in<lb/>
der Luft herum, und die Menge haſchte<lb/>
begierig darnach. Auch ruhten wir nicht, bis<lb/>
wir ein Exemplar auftrieben, und es waren<lb/>
nicht wenige die ſich das verbotne Vergnuͤgen<lb/>
gleichfalls zu verſchaffen wußten. Ja, wenn<lb/>
es dem Autor um Publicitaͤt zu thun war,<lb/>ſo haͤtte er ſelbſt nicht beſſer dafuͤr ſorgen<lb/>
koͤnnen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">l. 23<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[353/0369]
auf viele Wochen in Unruhe. Wir mußten
Zeugen von verſchiedenen Executionen ſeyn,
und es iſt wohl werth zu gedenken, daß ich
auch bey Verbrennung eines Buchs gegenwaͤr¬
tig geweſen bin. Es war der Verlag eines
franzoͤſiſchen comiſchen Romans, der zwar
den Staat, aber nicht Religion und Sitten
ſchonte. Es hatte wirklich etwas Fuͤrchterli¬
ches, eine Strafe an einem lebloſen Weſen
ausgeuͤbt zu ſehen. Die Ballen platzten im
Feuer, und wurden durch Ofengabeln aus ein¬
ander geſchuͤrt und mit den Flammen mehr
in Beruͤhrung gebracht. Es dauerte nicht
lange, ſo flogen die angebrannten Blaͤtter in
der Luft herum, und die Menge haſchte
begierig darnach. Auch ruhten wir nicht, bis
wir ein Exemplar auftrieben, und es waren
nicht wenige die ſich das verbotne Vergnuͤgen
gleichfalls zu verſchaffen wußten. Ja, wenn
es dem Autor um Publicitaͤt zu thun war,
ſo haͤtte er ſelbſt nicht beſſer dafuͤr ſorgen
koͤnnen.
l. 23
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/369>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.