fremden kauderwelschen Idiom herstottern sollte, wobey mir denn ein gewisses Näseln und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht wenig empfohlen wurde; so kam ich gewisser¬ maßen von der Sache ganz ab, und amü¬ sirte mich auf eine kindische Weise an den seltsamen Namen dieser gehäuften Zeichen. Da waren Kaiser, Könige und Herzoge, die als Accente hie und da dominirend, mich nicht wenig unterhielten. Aber auch diese schalen Späße verloren bald ihren Reiz. Doch wurde ich dadurch schadlos gehalten, daß mir beym Lesen, Uebersetzen, Wiederho¬ len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs um so lebhafter entgegentrat, und dieser war es eigentlich, über welchen ich von meinem alten Herrn Aufklärung verlangte. Denn schon vorher waren mir die Widersprüche der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und Möglichen sehr auffallend gewesen, und ich hatte meine Hauslehrer durch die Sonne, die zu Gibeon, und den Mond, der im
fremden kauderwelſchen Idiom herſtottern ſollte, wobey mir denn ein gewiſſes Naͤſeln und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht wenig empfohlen wurde; ſo kam ich gewiſſer¬ maßen von der Sache ganz ab, und amuͤ¬ ſirte mich auf eine kindiſche Weiſe an den ſeltſamen Namen dieſer gehaͤuften Zeichen. Da waren Kaiſer, Koͤnige und Herzoge, die als Accente hie und da dominirend, mich nicht wenig unterhielten. Aber auch dieſe ſchalen Spaͤße verloren bald ihren Reiz. Doch wurde ich dadurch ſchadlos gehalten, daß mir beym Leſen, Ueberſetzen, Wiederho¬ len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs um ſo lebhafter entgegentrat, und dieſer war es eigentlich, uͤber welchen ich von meinem alten Herrn Aufklaͤrung verlangte. Denn ſchon vorher waren mir die Widerſpruͤche der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und Moͤglichen ſehr auffallend geweſen, und ich hatte meine Hauslehrer durch die Sonne, die zu Gibeon, und den Mond, der im
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0312"n="296"/>
fremden kauderwelſchen Idiom herſtottern<lb/>ſollte, wobey mir denn ein gewiſſes Naͤſeln<lb/>
und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht<lb/>
wenig empfohlen wurde; ſo kam ich gewiſſer¬<lb/>
maßen von der Sache ganz ab, und amuͤ¬<lb/>ſirte mich auf eine kindiſche Weiſe an den<lb/>ſeltſamen Namen dieſer gehaͤuften Zeichen.<lb/>
Da waren Kaiſer, Koͤnige und Herzoge, die<lb/>
als Accente hie und da dominirend, mich<lb/>
nicht wenig unterhielten. Aber auch dieſe<lb/>ſchalen Spaͤße verloren bald ihren Reiz.<lb/>
Doch wurde ich dadurch ſchadlos gehalten,<lb/>
daß mir beym Leſen, Ueberſetzen, Wiederho¬<lb/>
len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs<lb/>
um ſo lebhafter entgegentrat, und dieſer war<lb/>
es eigentlich, uͤber welchen ich von meinem<lb/>
alten Herrn Aufklaͤrung verlangte. Denn<lb/>ſchon vorher waren mir die Widerſpruͤche<lb/>
der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und<lb/>
Moͤglichen ſehr auffallend geweſen, und ich<lb/>
hatte meine Hauslehrer durch die Sonne,<lb/>
die zu Gibeon, und den Mond, der im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[296/0312]
fremden kauderwelſchen Idiom herſtottern
ſollte, wobey mir denn ein gewiſſes Naͤſeln
und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht
wenig empfohlen wurde; ſo kam ich gewiſſer¬
maßen von der Sache ganz ab, und amuͤ¬
ſirte mich auf eine kindiſche Weiſe an den
ſeltſamen Namen dieſer gehaͤuften Zeichen.
Da waren Kaiſer, Koͤnige und Herzoge, die
als Accente hie und da dominirend, mich
nicht wenig unterhielten. Aber auch dieſe
ſchalen Spaͤße verloren bald ihren Reiz.
Doch wurde ich dadurch ſchadlos gehalten,
daß mir beym Leſen, Ueberſetzen, Wiederho¬
len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs
um ſo lebhafter entgegentrat, und dieſer war
es eigentlich, uͤber welchen ich von meinem
alten Herrn Aufklaͤrung verlangte. Denn
ſchon vorher waren mir die Widerſpruͤche
der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und
Moͤglichen ſehr auffallend geweſen, und ich
hatte meine Hauslehrer durch die Sonne,
die zu Gibeon, und den Mond, der im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/312>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.