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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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fremden kauderwelschen Idiom herstottern
sollte, wobey mir denn ein gewisses Näseln
und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht
wenig empfohlen wurde; so kam ich gewisser¬
maßen von der Sache ganz ab, und amü¬
sirte mich auf eine kindische Weise an den
seltsamen Namen dieser gehäuften Zeichen.
Da waren Kaiser, Könige und Herzoge, die
als Accente hie und da dominirend, mich
nicht wenig unterhielten. Aber auch diese
schalen Späße verloren bald ihren Reiz.
Doch wurde ich dadurch schadlos gehalten,
daß mir beym Lesen, Uebersetzen, Wiederho¬
len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs
um so lebhafter entgegentrat, und dieser war
es eigentlich, über welchen ich von meinem
alten Herrn Aufklärung verlangte. Denn
schon vorher waren mir die Widersprüche
der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und
Möglichen sehr auffallend gewesen, und ich
hatte meine Hauslehrer durch die Sonne,
die zu Gibeon, und den Mond, der im

fremden kauderwelſchen Idiom herſtottern
ſollte, wobey mir denn ein gewiſſes Naͤſeln
und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht
wenig empfohlen wurde; ſo kam ich gewiſſer¬
maßen von der Sache ganz ab, und amuͤ¬
ſirte mich auf eine kindiſche Weiſe an den
ſeltſamen Namen dieſer gehaͤuften Zeichen.
Da waren Kaiſer, Koͤnige und Herzoge, die
als Accente hie und da dominirend, mich
nicht wenig unterhielten. Aber auch dieſe
ſchalen Spaͤße verloren bald ihren Reiz.
Doch wurde ich dadurch ſchadlos gehalten,
daß mir beym Leſen, Ueberſetzen, Wiederho¬
len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs
um ſo lebhafter entgegentrat, und dieſer war
es eigentlich, uͤber welchen ich von meinem
alten Herrn Aufklaͤrung verlangte. Denn
ſchon vorher waren mir die Widerſpruͤche
der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und
Moͤglichen ſehr auffallend geweſen, und ich
hatte meine Hauslehrer durch die Sonne,
die zu Gibeon, und den Mond, der im

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[296/0312] fremden kauderwelſchen Idiom herſtottern ſollte, wobey mir denn ein gewiſſes Naͤſeln und Gurgeln als ein Unerreichbares nicht wenig empfohlen wurde; ſo kam ich gewiſſer¬ maßen von der Sache ganz ab, und amuͤ¬ ſirte mich auf eine kindiſche Weiſe an den ſeltſamen Namen dieſer gehaͤuften Zeichen. Da waren Kaiſer, Koͤnige und Herzoge, die als Accente hie und da dominirend, mich nicht wenig unterhielten. Aber auch dieſe ſchalen Spaͤße verloren bald ihren Reiz. Doch wurde ich dadurch ſchadlos gehalten, daß mir beym Leſen, Ueberſetzen, Wiederho¬ len, Auswendiglernen der Inhalt des Buchs um ſo lebhafter entgegentrat, und dieſer war es eigentlich, uͤber welchen ich von meinem alten Herrn Aufklaͤrung verlangte. Denn ſchon vorher waren mir die Widerſpruͤche der Ueberlieferung mit dem Wirklichen und Moͤglichen ſehr auffallend geweſen, und ich hatte meine Hauslehrer durch die Sonne, die zu Gibeon, und den Mond, der im

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/312>, abgerufen am 25.11.2024.