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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Thal Ajalon still stand, in manche Noth
versetzt; gewisser anderer Unwahrscheinlichkei¬
ten und Incongruenzen nicht zu gedenken.
Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem
ich mich, um von dem Hebräischen Meister
zu werden, mit dem alten Testament aus¬
schließlich beschäftigte, und solches nicht mehr
in Luthers Uebersetzung, sondern in der wört¬
lichen beygedruckten Version des Sebastian
Schmidt
, den mir mein Vater sogleich an¬
geschafft hatte, durchstudirte. Hier fingen
unsere Stunden leider an, was die Sprach¬
übungen betrifft, lückenhaft zu werden. Le¬
sen, Exponiren, Grammatik, Aufschreiben und
Hersagen von Wörtern dauerte selten eine
völlige halbe Stunde: denn ich fing sogleich
an auf den Sinn der Sache loszugehen,
und ob wir gleich noch in dem ersten Buche
Mosis befangen waren, mancherley Dinge
zur Sprache zu bringen, welche mir aus den
spätern Büchern im Sinne lagen. Anfangs
suchte der gute Alte mich von solchen Ab¬

Thal Ajalon ſtill ſtand, in manche Noth
verſetzt; gewiſſer anderer Unwahrſcheinlichkei¬
ten und Incongruenzen nicht zu gedenken.
Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem
ich mich, um von dem Hebraͤiſchen Meiſter
zu werden, mit dem alten Teſtament aus¬
ſchließlich beſchaͤftigte, und ſolches nicht mehr
in Luthers Ueberſetzung, ſondern in der woͤrt¬
lichen beygedruckten Verſion des Sebaſtian
Schmidt
, den mir mein Vater ſogleich an¬
geſchafft hatte, durchſtudirte. Hier fingen
unſere Stunden leider an, was die Sprach¬
uͤbungen betrifft, luͤckenhaft zu werden. Le¬
ſen, Exponiren, Grammatik, Aufſchreiben und
Herſagen von Woͤrtern dauerte ſelten eine
voͤllige halbe Stunde: denn ich fing ſogleich
an auf den Sinn der Sache loszugehen,
und ob wir gleich noch in dem erſten Buche
Moſis befangen waren, mancherley Dinge
zur Sprache zu bringen, welche mir aus den
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[297/0313] Thal Ajalon ſtill ſtand, in manche Noth verſetzt; gewiſſer anderer Unwahrſcheinlichkei¬ ten und Incongruenzen nicht zu gedenken. Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem ich mich, um von dem Hebraͤiſchen Meiſter zu werden, mit dem alten Teſtament aus¬ ſchließlich beſchaͤftigte, und ſolches nicht mehr in Luthers Ueberſetzung, ſondern in der woͤrt¬ lichen beygedruckten Verſion des Sebaſtian Schmidt, den mir mein Vater ſogleich an¬ geſchafft hatte, durchſtudirte. Hier fingen unſere Stunden leider an, was die Sprach¬ uͤbungen betrifft, luͤckenhaft zu werden. Le¬ ſen, Exponiren, Grammatik, Aufſchreiben und Herſagen von Woͤrtern dauerte ſelten eine voͤllige halbe Stunde: denn ich fing ſogleich an auf den Sinn der Sache loszugehen, und ob wir gleich noch in dem erſten Buche Moſis befangen waren, mancherley Dinge zur Sprache zu bringen, welche mir aus den ſpaͤtern Buͤchern im Sinne lagen. Anfangs ſuchte der gute Alte mich von ſolchen Ab¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/313>, abgerufen am 01.09.2024.