Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Puncte und Striche sey eine sehr schwere
Aufgabe, und könne nur von Gelehrten und
den geübtesten geleistet werden. Ich mußte
mich also bequemen auch diese kleinen Merk¬
zeichen kennen zu lernen; aber die Sache
ward mir immer verworrner. Nun sollten
einige der ersten größern Urzeichen an ihrer
Stelle gar nichts gelten, damit ihre kleinen
Nachgebornen doch ja nicht umsonst dastehen
möchten. Dann sollten sie einmal wieder ei¬
nen leisen Hauch, dann einen mehr oder we¬
niger harten Kehllaut andeuten, bald gar
nur als Stütze und Widerlage dienen. Zu¬
letzt aber, wenn man sich alles wohl gemerkt
zu haben glaubte, wurden einige der großen
sowohl als der kleinen Personagen in den
Ruhestand versetzt, so daß das Auge immer
sehr viel und die Lippe sehr wenig zu thun
hatte.

Indem ich nun dasjenige was mir dem
Inhalt nach schon bekannt war, in einem

Puncte und Striche ſey eine ſehr ſchwere
Aufgabe, und koͤnne nur von Gelehrten und
den geuͤbteſten geleiſtet werden. Ich mußte
mich alſo bequemen auch dieſe kleinen Merk¬
zeichen kennen zu lernen; aber die Sache
ward mir immer verworrner. Nun ſollten
einige der erſten groͤßern Urzeichen an ihrer
Stelle gar nichts gelten, damit ihre kleinen
Nachgebornen doch ja nicht umſonſt daſtehen
moͤchten. Dann ſollten ſie einmal wieder ei¬
nen leiſen Hauch, dann einen mehr oder we¬
niger harten Kehllaut andeuten, bald gar
nur als Stuͤtze und Widerlage dienen. Zu¬
letzt aber, wenn man ſich alles wohl gemerkt
zu haben glaubte, wurden einige der großen
ſowohl als der kleinen Perſonagen in den
Ruheſtand verſetzt, ſo daß das Auge immer
ſehr viel und die Lippe ſehr wenig zu thun
hatte.

Indem ich nun dasjenige was mir dem
Inhalt nach ſchon bekannt war, in einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="295"/>
Puncte und Striche &#x017F;ey eine &#x017F;ehr &#x017F;chwere<lb/>
Aufgabe, und ko&#x0364;nne nur von Gelehrten und<lb/>
den geu&#x0364;bte&#x017F;ten gelei&#x017F;tet werden. Ich mußte<lb/>
mich al&#x017F;o bequemen auch die&#x017F;e kleinen Merk¬<lb/>
zeichen kennen zu lernen; aber die Sache<lb/>
ward mir immer verworrner. Nun &#x017F;ollten<lb/>
einige der er&#x017F;ten gro&#x0364;ßern Urzeichen an ihrer<lb/>
Stelle gar nichts gelten, damit ihre kleinen<lb/>
Nachgebornen doch ja nicht um&#x017F;on&#x017F;t da&#x017F;tehen<lb/>
mo&#x0364;chten. Dann &#x017F;ollten &#x017F;ie einmal wieder ei¬<lb/>
nen lei&#x017F;en Hauch, dann einen mehr oder we¬<lb/>
niger harten Kehllaut andeuten, bald gar<lb/>
nur als Stu&#x0364;tze und Widerlage dienen. Zu¬<lb/>
letzt aber, wenn man &#x017F;ich alles wohl gemerkt<lb/>
zu haben glaubte, wurden einige der großen<lb/>
&#x017F;owohl als der kleinen Per&#x017F;onagen in den<lb/>
Ruhe&#x017F;tand ver&#x017F;etzt, &#x017F;o daß das Auge immer<lb/>
&#x017F;ehr viel und die Lippe &#x017F;ehr wenig zu thun<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Indem ich nun dasjenige was mir dem<lb/>
Inhalt nach &#x017F;chon bekannt war, in einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0311] Puncte und Striche ſey eine ſehr ſchwere Aufgabe, und koͤnne nur von Gelehrten und den geuͤbteſten geleiſtet werden. Ich mußte mich alſo bequemen auch dieſe kleinen Merk¬ zeichen kennen zu lernen; aber die Sache ward mir immer verworrner. Nun ſollten einige der erſten groͤßern Urzeichen an ihrer Stelle gar nichts gelten, damit ihre kleinen Nachgebornen doch ja nicht umſonſt daſtehen moͤchten. Dann ſollten ſie einmal wieder ei¬ nen leiſen Hauch, dann einen mehr oder we¬ niger harten Kehllaut andeuten, bald gar nur als Stuͤtze und Widerlage dienen. Zu¬ letzt aber, wenn man ſich alles wohl gemerkt zu haben glaubte, wurden einige der großen ſowohl als der kleinen Perſonagen in den Ruheſtand verſetzt, ſo daß das Auge immer ſehr viel und die Lippe ſehr wenig zu thun hatte. Indem ich nun dasjenige was mir dem Inhalt nach ſchon bekannt war, in einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/311
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/311>, abgerufen am 25.11.2024.