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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ließen. Und da mir dergleichen Elemente
aus Ovids Verwandlungen, und Pomey's
Pantheon Mythicum sehr häufig im Kopfe
herum summten, so hatte ich bald ein solches
Stückchen in meiner Phantasie zusammen¬
gestellt, wovon ich nur so viel zu sagen weiß,
daß die Scene ländlich war, daß es aber
doch darin weder an Königstöchtern, noch
Prinzen, noch Göttern fehlte. Der Merkur
besonders war mir dabey so lebhaft im
Sinne, daß ich noch schwören wollte, ich
hätte ihn mit Augen gesehen.

Eine von mir selbst sehr reinlich gefertigte
Abschrift legte ich meinem Freunde Dero¬
nes vor, welcher sie mit ganz besonderem
Anstand und einer wahrhaften Gönnermiene
aufnahm, das Manuscript flüchtig durchsah,
mir einige Sprachfehler nachwies, einige Re¬
den zu lang fand, und zuletzt versprach das
Werk bey gehöriger Muße näher zu betrach¬
ten und zu beurtheilen. Auf meine beschei¬

ließen. Und da mir dergleichen Elemente
aus Ovids Verwandlungen, und Pomey's
Pantheon Mythicum ſehr haͤufig im Kopfe
herum ſummten, ſo hatte ich bald ein ſolches
Stuͤckchen in meiner Phantaſie zuſammen¬
geſtellt, wovon ich nur ſo viel zu ſagen weiß,
daß die Scene laͤndlich war, daß es aber
doch darin weder an Koͤnigstoͤchtern, noch
Prinzen, noch Goͤttern fehlte. Der Merkur
beſonders war mir dabey ſo lebhaft im
Sinne, daß ich noch ſchwoͤren wollte, ich
haͤtte ihn mit Augen geſehen.

Eine von mir ſelbſt ſehr reinlich gefertigte
Abſchrift legte ich meinem Freunde Dero¬
nes vor, welcher ſie mit ganz beſonderem
Anſtand und einer wahrhaften Goͤnnermiene
aufnahm, das Manuſcript fluͤchtig durchſah,
mir einige Sprachfehler nachwies, einige Re¬
den zu lang fand, und zuletzt verſprach das
Werk bey gehoͤriger Muße naͤher zu betrach¬
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[245/0261] ließen. Und da mir dergleichen Elemente aus Ovids Verwandlungen, und Pomey's Pantheon Mythicum ſehr haͤufig im Kopfe herum ſummten, ſo hatte ich bald ein ſolches Stuͤckchen in meiner Phantaſie zuſammen¬ geſtellt, wovon ich nur ſo viel zu ſagen weiß, daß die Scene laͤndlich war, daß es aber doch darin weder an Koͤnigstoͤchtern, noch Prinzen, noch Goͤttern fehlte. Der Merkur beſonders war mir dabey ſo lebhaft im Sinne, daß ich noch ſchwoͤren wollte, ich haͤtte ihn mit Augen geſehen. Eine von mir ſelbſt ſehr reinlich gefertigte Abſchrift legte ich meinem Freunde Dero¬ nes vor, welcher ſie mit ganz beſonderem Anſtand und einer wahrhaften Goͤnnermiene aufnahm, das Manuſcript fluͤchtig durchſah, mir einige Sprachfehler nachwies, einige Re¬ den zu lang fand, und zuletzt verſprach das Werk bey gehoͤriger Muße naͤher zu betrach¬ ten und zu beurtheilen. Auf meine beſchei¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/261>, abgerufen am 02.09.2024.