Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

vorzutreiben schienen. Mein Führer, ohne
mich gerade auf den nächsten Weg zu drän¬
gen, leitete mich doch unmittelbar nach jener
Mitte, und wie war ich überrascht! als ich
in den Kreis der hohen Bäume tretend, die
Säulenhalle eines köstlichen Gartengebäudes
vor mir sah, das nach den übrigen Seiten
hin ähnliche Ansichten und Eingänge zu ha¬
ben schien. Noch mehr aber als dieses Mu¬
ster der Baukunst entzückte mich eine himm¬
lische Musik, die aus dem Gebäude hervor¬
drang. Bald glaubte ich eine Laute, bald
eine Harfe, bald eine Zither zu hören, und
bald noch etwas Klimperndes, das keinem
von diesen drey Instrumenten gemäß war.
Die Pforte, auf die wir zu gingen, eröffnete
sich bald nach einer leisen Berührung des
Alten; aber wie erstaunt war ich, als die
heraustretende Pförtnerinn ganz vollkommen
dem niedlichen Mädchen glich, das mir im
Traume auf den Fingern getanzt hatte. Sie
grüßte mich auch auf eine Weise, als wenn

vorzutreiben ſchienen. Mein Fuͤhrer, ohne
mich gerade auf den naͤchſten Weg zu draͤn¬
gen, leitete mich doch unmittelbar nach jener
Mitte, und wie war ich uͤberraſcht! als ich
in den Kreis der hohen Baͤume tretend, die
Saͤulenhalle eines koͤſtlichen Gartengebaͤudes
vor mir ſah, das nach den uͤbrigen Seiten
hin aͤhnliche Anſichten und Eingaͤnge zu ha¬
ben ſchien. Noch mehr aber als dieſes Mu¬
ſter der Baukunſt entzuͤckte mich eine himm¬
liſche Muſik, die aus dem Gebaͤude hervor¬
drang. Bald glaubte ich eine Laute, bald
eine Harfe, bald eine Zither zu hoͤren, und
bald noch etwas Klimperndes, das keinem
von dieſen drey Inſtrumenten gemaͤß war.
Die Pforte, auf die wir zu gingen, eroͤffnete
ſich bald nach einer leiſen Beruͤhrung des
Alten; aber wie erſtaunt war ich, als die
heraustretende Pfoͤrtnerinn ganz vollkommen
dem niedlichen Maͤdchen glich, das mir im
Traume auf den Fingern getanzt hatte. Sie
gruͤßte mich auch auf eine Weiſe, als wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0137" n="121"/>
vorzutreiben &#x017F;chienen. Mein Fu&#x0364;hrer, ohne<lb/>
mich gerade auf den na&#x0364;ch&#x017F;ten Weg zu dra&#x0364;<lb/>
gen, leitete mich doch unmittelbar nach jener<lb/>
Mitte, und wie war ich u&#x0364;berra&#x017F;cht! als ich<lb/>
in den Kreis der hohen Ba&#x0364;ume tretend, die<lb/>
Sa&#x0364;ulenhalle eines ko&#x0364;&#x017F;tlichen Gartengeba&#x0364;udes<lb/>
vor mir &#x017F;ah, das nach den u&#x0364;brigen Seiten<lb/>
hin a&#x0364;hnliche An&#x017F;ichten und Einga&#x0364;nge zu ha¬<lb/>
ben &#x017F;chien. Noch mehr aber als die&#x017F;es Mu¬<lb/>
&#x017F;ter der Baukun&#x017F;t entzu&#x0364;ckte mich eine himm¬<lb/>
li&#x017F;che Mu&#x017F;ik, die aus dem Geba&#x0364;ude hervor¬<lb/>
drang. Bald glaubte ich eine Laute, bald<lb/>
eine Harfe, bald eine Zither zu ho&#x0364;ren, und<lb/>
bald noch etwas Klimperndes, das keinem<lb/>
von die&#x017F;en drey In&#x017F;trumenten gema&#x0364;ß war.<lb/>
Die Pforte, auf die wir zu gingen, ero&#x0364;ffnete<lb/>
&#x017F;ich bald nach einer lei&#x017F;en Beru&#x0364;hrung des<lb/>
Alten; aber wie er&#x017F;taunt war ich, als die<lb/>
heraustretende Pfo&#x0364;rtnerinn ganz vollkommen<lb/>
dem niedlichen Ma&#x0364;dchen glich, das mir im<lb/>
Traume auf den Fingern getanzt hatte. Sie<lb/>
gru&#x0364;ßte mich auch auf eine Wei&#x017F;e, als wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0137] vorzutreiben ſchienen. Mein Fuͤhrer, ohne mich gerade auf den naͤchſten Weg zu draͤn¬ gen, leitete mich doch unmittelbar nach jener Mitte, und wie war ich uͤberraſcht! als ich in den Kreis der hohen Baͤume tretend, die Saͤulenhalle eines koͤſtlichen Gartengebaͤudes vor mir ſah, das nach den uͤbrigen Seiten hin aͤhnliche Anſichten und Eingaͤnge zu ha¬ ben ſchien. Noch mehr aber als dieſes Mu¬ ſter der Baukunſt entzuͤckte mich eine himm¬ liſche Muſik, die aus dem Gebaͤude hervor¬ drang. Bald glaubte ich eine Laute, bald eine Harfe, bald eine Zither zu hoͤren, und bald noch etwas Klimperndes, das keinem von dieſen drey Inſtrumenten gemaͤß war. Die Pforte, auf die wir zu gingen, eroͤffnete ſich bald nach einer leiſen Beruͤhrung des Alten; aber wie erſtaunt war ich, als die heraustretende Pfoͤrtnerinn ganz vollkommen dem niedlichen Maͤdchen glich, das mir im Traume auf den Fingern getanzt hatte. Sie gruͤßte mich auch auf eine Weiſe, als wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/137
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/137>, abgerufen am 24.11.2024.