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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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wir schon bekannt wären, und bat mich her¬
einzutreten. Der Alte blieb zurück, und ich
ging mit ihr durch einen gewölbten und schön
verzierten kurzen Gang nach dem Mittelsaal,
dessen herrliche domartige Höhe beym Ein¬
tritt meinen Blick auf sich zog und mich in
Verwunderung setzte. Doch konnte mein
Auge nicht lange dort verweilen, denn es
ward durch ein reizenderes Schauspiel herab¬
gelockt. Auf einem Teppich, gerade unter
der Mitte der Kuppel, saßen drey Frauen¬
zimmer im Dreyeck, in drey verschiedene
Farben gekleidet, die eine roth, die andre
gelb, die dritte grün; die Sessel waren ver¬
goldet, und der Teppich ein vollkommenes
Blumenbeet. In ihren Armen lagen die
drey Instrumente, die ich draußen hatte un¬
terscheiden können: denn durch meine Ankunft
gestört, hatten sie mit spielen inne gehal¬
ten. -- "Seyd uns willkommen!" sagte die
mittlere, die nämlich, welche mit dem Ge¬
sicht nach der Thüre saß, im rothen Kleide

wir ſchon bekannt waͤren, und bat mich her¬
einzutreten. Der Alte blieb zuruͤck, und ich
ging mit ihr durch einen gewoͤlbten und ſchoͤn
verzierten kurzen Gang nach dem Mittelſaal,
deſſen herrliche domartige Hoͤhe beym Ein¬
tritt meinen Blick auf ſich zog und mich in
Verwunderung ſetzte. Doch konnte mein
Auge nicht lange dort verweilen, denn es
ward durch ein reizenderes Schauſpiel herab¬
gelockt. Auf einem Teppich, gerade unter
der Mitte der Kuppel, ſaßen drey Frauen¬
zimmer im Dreyeck, in drey verſchiedene
Farben gekleidet, die eine roth, die andre
gelb, die dritte gruͤn; die Seſſel waren ver¬
goldet, und der Teppich ein vollkommenes
Blumenbeet. In ihren Armen lagen die
drey Inſtrumente, die ich draußen hatte un¬
terſcheiden koͤnnen: denn durch meine Ankunft
geſtoͤrt, hatten ſie mit ſpielen inne gehal¬
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[122/0138] wir ſchon bekannt waͤren, und bat mich her¬ einzutreten. Der Alte blieb zuruͤck, und ich ging mit ihr durch einen gewoͤlbten und ſchoͤn verzierten kurzen Gang nach dem Mittelſaal, deſſen herrliche domartige Hoͤhe beym Ein¬ tritt meinen Blick auf ſich zog und mich in Verwunderung ſetzte. Doch konnte mein Auge nicht lange dort verweilen, denn es ward durch ein reizenderes Schauſpiel herab¬ gelockt. Auf einem Teppich, gerade unter der Mitte der Kuppel, ſaßen drey Frauen¬ zimmer im Dreyeck, in drey verſchiedene Farben gekleidet, die eine roth, die andre gelb, die dritte gruͤn; die Seſſel waren ver¬ goldet, und der Teppich ein vollkommenes Blumenbeet. In ihren Armen lagen die drey Inſtrumente, die ich draußen hatte un¬ terſcheiden koͤnnen: denn durch meine Ankunft geſtoͤrt, hatten ſie mit ſpielen inne gehal¬ ten. — „Seyd uns willkommen!“ ſagte die mittlere, die naͤmlich, welche mit dem Ge¬ ſicht nach der Thuͤre ſaß, im rothen Kleide

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/138>, abgerufen am 17.05.2024.