Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Orest.
Mit seltner Kunst flichst du der Götter Rath
Und deine Wünsche klug in eins zusammen.
Pylades.
Was ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicht
Auf Jener Willen droben achtend lauscht?
Zu einer schweren That beruft ein Gott
Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt
Ihm auf was uns unmöglich scheint zu enden.
Es siegt der Held, und büßend dienet er
Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.
Orest.
Bin ich bestimmt, zu leben und zu handeln;
So nehm' ein Gott von meiner schweren Stirn
Den Schwindel weg, der auf dem schlüpfrigen,
Mit Mutterblut besprengten Pfade f[o]rt
Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig
Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden
Entgegen sprudelnd, ewig mich befleckt.
Pylades.
Erwart' es ruhiger! Du mehrst das Übel
Und nimmst das Amt der Furien auf dich.
Ein Schauſpiel.
Oreſt.
Mit ſeltner Kunſt flichſt du der Götter Rath
Und deine Wünſche klug in eins zuſammen.
Pylades.
Was iſt des Menſchen Klugheit, wenn ſie nicht
Auf Jener Willen droben achtend lauſcht?
Zu einer ſchweren That beruft ein Gott
Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt
Ihm auf was uns unmöglich ſcheint zu enden.
Es ſiegt der Held, und büßend dienet er
Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.
Oreſt.
Bin ich beſtimmt, zu leben und zu handeln;
So nehm’ ein Gott von meiner ſchweren Stirn
Den Schwindel weg, der auf dem ſchlüpfrigen,
Mit Mutterblut beſprengten Pfade f[o]rt
Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig
Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden
Entgegen ſprudelnd, ewig mich befleckt.
Pylades.
Erwart’ es ruhiger! Du mehrſt das Übel
Und nimmſt das Amt der Furien auf dich.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0054" n="45"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel</hi>.</fw><lb/>
            <sp who="#ORE">
              <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ore&#x017F;t</hi>.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Mit &#x017F;eltner Kun&#x017F;t flich&#x017F;t du der Götter Rath<lb/>
Und deine Wün&#x017F;che klug in eins zu&#x017F;ammen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PYL">
              <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Was i&#x017F;t des Men&#x017F;chen Klugheit, wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
Auf Jener Willen droben achtend lau&#x017F;cht?<lb/>
Zu einer &#x017F;chweren That beruft ein Gott<lb/>
Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt<lb/>
Ihm auf was uns unmöglich &#x017F;cheint zu enden.<lb/>
Es &#x017F;iegt der Held, und büßend dienet er<lb/>
Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ORE">
              <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ore&#x017F;t</hi>.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Bin ich be&#x017F;timmt, zu leben und zu handeln;<lb/>
So nehm&#x2019; ein Gott von meiner &#x017F;chweren Stirn<lb/>
Den Schwindel weg, der auf dem &#x017F;chlüpfrigen,<lb/>
Mit Mutterblut be&#x017F;prengten Pfade f<supplied>o</supplied>rt<lb/>
Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig<lb/>
Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden<lb/>
Entgegen &#x017F;prudelnd, ewig mich befleckt.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PYL">
              <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Erwart&#x2019; es ruhiger! Du mehr&#x017F;t das Übel<lb/>
Und nimm&#x017F;t das Amt der Furien auf dich.<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0054] Ein Schauſpiel. Oreſt. Mit ſeltner Kunſt flichſt du der Götter Rath Und deine Wünſche klug in eins zuſammen. Pylades. Was iſt des Menſchen Klugheit, wenn ſie nicht Auf Jener Willen droben achtend lauſcht? Zu einer ſchweren That beruft ein Gott Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt Ihm auf was uns unmöglich ſcheint zu enden. Es ſiegt der Held, und büßend dienet er Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt. Oreſt. Bin ich beſtimmt, zu leben und zu handeln; So nehm’ ein Gott von meiner ſchweren Stirn Den Schwindel weg, der auf dem ſchlüpfrigen, Mit Mutterblut beſprengten Pfade fort Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden Entgegen ſprudelnd, ewig mich befleckt. Pylades. Erwart’ es ruhiger! Du mehrſt das Übel Und nimmſt das Amt der Furien auf dich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/54
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/54>, abgerufen am 03.05.2024.