Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Faust Er beschaut das Zeichen. Wie alles sich zum Ganzen webt! Eins in dem andern wirkt und lebt! Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen Und sich die goldnen Eimer reichen! Mit segenduftenden Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen, Harmonisch all das All durchklingen! Welch Schauspiel! aber ach! ein Schau- spiel nur! Wo faß' ich dich, unendliche Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde hängt, Dahin die welke Brust sich drängt -- Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht' ich so vergebens? Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes. Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein! Du, Geist der Erde, bist mir näher; Schon fühl' ich meine Kräfte höher, Fauſt Er beſchaut das Zeichen. Wie alles ſich zum Ganzen webt! Eins in dem andern wirkt und lebt! Wie Himmelskräfte auf und nieder ſteigen Und ſich die goldnen Eimer reichen! Mit ſegenduftenden Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen, Harmoniſch all das All durchklingen! Welch Schauſpiel! aber ach! ein Schau- ſpiel nur! Wo faß’ ich dich, unendliche Natur? Euch Brüſte, wo? Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde hängt, Dahin die welke Bruſt ſich drängt — Ihr quellt, ihr tränkt, und ſchmacht’ ich ſo vergebens? Er ſchlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeiſtes. Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein! Du, Geiſt der Erde, biſt mir näher; Schon fühl’ ich meine Kräfte höher, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <pb facs="#f0018" n="8"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Fauſt</hi> </fw><lb/> <stage>Er beſchaut das Zeichen.</stage><lb/> <p>Wie alles ſich zum Ganzen webt!<lb/> Eins in dem andern wirkt und lebt!<lb/> Wie Himmelskräfte auf und nieder ſteigen<lb/> Und ſich die goldnen Eimer reichen!<lb/> Mit ſegenduftenden Schwingen<lb/> Vom Himmel durch die Erde dringen,<lb/> Harmoniſch all das All durchklingen!</p><lb/> <p>Welch Schauſpiel! aber ach! ein Schau-<lb/> ſpiel nur!<lb/> Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?<lb/> Euch Brüſte, wo? Ihr Quellen alles Lebens,<lb/> An denen Himmel und Erde hängt,<lb/> Dahin die welke Bruſt ſich drängt —<lb/> Ihr quellt, ihr tränkt, und ſchmacht’ ich ſo<lb/> vergebens?</p><lb/> <stage>Er ſchlägt unwillig das Buch um, und erblickt das<lb/> Zeichen des Erdgeiſtes.</stage><lb/> <p>Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!<lb/> Du, Geiſt der Erde, biſt mir näher;<lb/> Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0018]
Fauſt
Er beſchaut das Zeichen.
Wie alles ſich zum Ganzen webt!
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder ſteigen
Und ſich die goldnen Eimer reichen!
Mit ſegenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmoniſch all das All durchklingen!
Welch Schauſpiel! aber ach! ein Schau-
ſpiel nur!
Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?
Euch Brüſte, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Bruſt ſich drängt —
Ihr quellt, ihr tränkt, und ſchmacht’ ich ſo
vergebens?
Er ſchlägt unwillig das Buch um, und erblickt das
Zeichen des Erdgeiſtes.
Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!
Du, Geiſt der Erde, biſt mir näher;
Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,
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