Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Ein Fragment. Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,Antwortet mir, wenn ihr mich hört! Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus. Ha! welche Wonne fließt, in diesem Blick, Auf einmal mir durch alle meine Sinnen? Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück, Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen. War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, Die mir das innre Toben stillen, Das arme Herz mit Freude füllen, Und, mit geheimnißvollem Trieb, Die Kräfte der Natur ring's um mich her enthüllen? Bin ich ein Gott? Mir wird so licht! Ich schau' in diesen reinen Zügen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erst erkenn' ich was der Weise spricht: "Die Geisterwelt ist nicht verschlossen; "Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt! "Auf bade, Schüler, unverdrossen "Die ird'sche Brust im Morgenroth!" Ein Fragment. Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir,Antwortet mir, wenn ihr mich hört! Er ſchlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus. Ha! welche Wonne fließt, in dieſem Blick, Auf einmal mir durch alle meine Sinnen? Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück, Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen. War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb, Die mir das innre Toben ſtillen, Das arme Herz mit Freude füllen, Und, mit geheimnißvollem Trieb, Die Kräfte der Natur ring’s um mich her enthüllen? Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht! Ich ſchau’ in dieſen reinen Zügen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht: „Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen; „Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt! „Auf bade, Schüler, unverdroſſen „Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0017" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Fragment</hi>.</fw><lb/> Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir,<lb/> Antwortet mir, wenn ihr mich hört!</p><lb/> <stage>Er ſchlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen<lb/> des Makrokosmus.</stage><lb/> <p>Ha! welche Wonne fließt, in dieſem Blick,<lb/> Auf einmal mir durch alle meine Sinnen?<lb/> Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück,<lb/> Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.<lb/> War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb,<lb/> Die mir das innre Toben ſtillen,<lb/> Das arme Herz mit Freude füllen,<lb/> Und, mit geheimnißvollem Trieb,<lb/> Die Kräfte der Natur ring’s um mich her<lb/> enthüllen?<lb/> Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht!<lb/> Ich ſchau’ in dieſen reinen Zügen<lb/> Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.<lb/> Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht:<lb/> „Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen;<lb/> „Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt!<lb/> „Auf bade, Schüler, unverdroſſen<lb/> „Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!“</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0017]
Ein Fragment.
Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
Er ſchlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen
des Makrokosmus.
Ha! welche Wonne fließt, in dieſem Blick,
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen?
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück,
Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb,
Die mir das innre Toben ſtillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und, mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur ring’s um mich her
enthüllen?
Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht!
Ich ſchau’ in dieſen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht:
„Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen;
„Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt!
„Auf bade, Schüler, unverdroſſen
„Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |