Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Man wird sich nicht mit Börs' und Beutel plagen, Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen, Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier. Der Priester trägt's andächtig im Brevier, Und der Soldat, um rascher sich zu wenden, Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden. Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine Das hohe Werk ich zu erniedern scheine. Faust. Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt, In deinen Landen tief im Boden harrt, Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke; Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug, Sie strengt sich an und thut sich nie genug; Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen, Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen. Mephistopheles. Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt, Ist so bequem, man weiß doch was man hat; Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen, Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen. Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit. Pokal und Kette wird verauctionirt, Und das Papier, sogleich amortisirt, Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt. Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen, Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen, Mit Liebesbrieflein paart’s bequem sich hier. Der Priester trägt’s andächtig im Brevier, Und der Soldat, um rascher sich zu wenden, Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden. Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine Das hohe Werk ich zu erniedern scheine. Faust. Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt, In deinen Landen tief im Boden harrt, Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke; Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug, Sie strengt sich an und thut sich nie genug; Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen, Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen. Mephistopheles. Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt, Ist so bequem, man weiß doch was man hat; Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen, Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen. Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit. Pokal und Kette wird verauctionirt, Und das Papier, sogleich amortisirt, Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt. Man will nichts anders, ist daran gewöhnt. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene"> <sp> <p><pb facs="#f0079" n="67"/> Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,<lb/> Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,<lb/> Mit Liebesbrieflein paart’s bequem sich hier.<lb/> Der Priester trägt’s andächtig im Brevier,<lb/> Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,<lb/> Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.<lb/> Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine<lb/> Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt,<lb/> In deinen Landen tief im Boden harrt,<lb/> Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke<lb/> Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke;<lb/> Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,<lb/> Sie strengt sich an und thut sich nie genug;<lb/> Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,<lb/> Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,<lb/> Ist so bequem, man weiß doch was man hat;<lb/> Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,<lb/> Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen.<lb/> Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,<lb/> Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.<lb/> Pokal und Kette wird verauctionirt,<lb/> Und das Papier, sogleich amortisirt,<lb/> Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.<lb/> Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0079]
Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,
Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
Mit Liebesbrieflein paart’s bequem sich hier.
Der Priester trägt’s andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine
Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.
Faust.
Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke;
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Sie strengt sich an und thut sich nie genug;
Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,
Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.
Mephistopheles.
Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch was man hat;
Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauctionirt,
Und das Papier, sogleich amortisirt,
Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/79>, abgerufen am 16.07.2024. |