Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Wie man ihn niemals noch erblickt; Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt. Der Abgemagerte. Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht! Ich weiß dir komm' ich niemals recht. - Wie noch die Frau den Herd versah, Da hieß ich Avaritia; Da stand es gut um unser Haus: Nur viel herein, und nichts hinaus! Ich eiferte für Kist' und Schrein; Das sollte wohl gar ein Laster seyn! Doch als in allerneusten Jahren Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen, Und, wie ein jeder böser Zahler, Weit mehr Begierden hat als Thaler, Da bleibt dem Manne viel zu dulden, Wo er nur hinsieht da sind Schulden; Sie wendet's, kann sie was erspulen, An ihren Leib, an ihren Buhlen; Auch speis't sie besser, trinkt noch mehr Mit der Sponsirer leidigem Heer; Das steigert mir des Goldes Reiz: Bin männlichen Geschlechts, der Geiz! Hauptweib.
Mit Drachen mag der Drache geizen, Ist's doch am Ende Lug und Trug! Er kommt die Männer aufzureizen, Sie sind schon unbequem genug. Wie man ihn niemals noch erblickt; Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt. Der Abgemagerte. Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht! Ich weiß dir komm’ ich niemals recht. – Wie noch die Frau den Herd versah, Da hieß ich Avaritia; Da stand es gut um unser Haus: Nur viel herein, und nichts hinaus! Ich eiferte für Kist’ und Schrein; Das sollte wohl gar ein Laster seyn! Doch als in allerneusten Jahren Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen, Und, wie ein jeder böser Zahler, Weit mehr Begierden hat als Thaler, Da bleibt dem Manne viel zu dulden, Wo er nur hinsieht da sind Schulden; Sie wendet’s, kann sie was erspulen, An ihren Leib, an ihren Buhlen; Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr Mit der Sponsirer leidigem Heer; Das steigert mir des Goldes Reiz: Bin männlichen Geschlechts, der Geiz! Hauptweib.
Mit Drachen mag der Drache geizen, Ist’s doch am Ende Lug und Trug! Er kommt die Männer aufzureizen, Sie sind schon unbequem genug. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0060" n="48"/> <l rendition="#et">Wie man ihn niemals noch erblickt;</l><lb/> <l rendition="#et">Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt.</l><lb/> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Der Abgemagerte.</hi> </speaker><lb/> <p>Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!<lb/> Ich weiß dir komm’ ich niemals recht. –<lb/> Wie noch die Frau den Herd versah,<lb/> Da hieß ich Avaritia;<lb/> Da stand es gut um unser Haus:<lb/> Nur viel herein, und nichts hinaus!<lb/> Ich eiferte für Kist’ und Schrein;<lb/> Das sollte wohl gar ein Laster seyn!<lb/> Doch als in allerneusten Jahren<lb/> Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,<lb/> Und, wie ein jeder böser Zahler,<lb/> Weit mehr Begierden hat als Thaler,<lb/> Da bleibt dem Manne viel zu dulden,<lb/> Wo er nur hinsieht da sind Schulden;<lb/> Sie wendet’s, kann sie was erspulen,<lb/> An ihren Leib, an ihren Buhlen;<lb/> Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr<lb/> Mit der Sponsirer leidigem Heer;<lb/> Das steigert mir des Goldes Reiz:<lb/> Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Hauptweib.</hi> </speaker><lb/> <p>Mit Drachen mag der Drache geizen,<lb/> Ist’s doch am Ende Lug und Trug!<lb/> Er kommt die Männer aufzureizen,<lb/> Sie sind schon unbequem genug.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0060]
Wie man ihn niemals noch erblickt;
Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt.
Der Abgemagerte.
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weiß dir komm’ ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Herd versah,
Da hieß ich Avaritia;
Da stand es gut um unser Haus:
Nur viel herein, und nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist’ und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster seyn!
Doch als in allerneusten Jahren
Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und, wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Thaler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden;
Sie wendet’s, kann sie was erspulen,
An ihren Leib, an ihren Buhlen;
Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsirer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
Hauptweib.
Mit Drachen mag der Drache geizen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Sie sind schon unbequem genug.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/60>, abgerufen am 17.07.2024. |