Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon Dämonen an den Zipfeln, möchten gern Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! Die Göttin ist's nicht mehr die du verlorst, Doch göttlich ist's. Bediene dich der hohen Unschätzbar'n Gunst und hebe dich empor, Es trägt dich über alles Gemeine rasch Am Aether hin, so lange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier. (Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm vorüber.) Phorkyas (nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt in's Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht). Noch immer glücklich aufgefunden! Die Flamme freilich ist verschwunden, Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug Poeten einzuweihen, Zu stiften Gild- und Handwerksneid. Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg' ich wenigstens das Kleid. Panthalis. Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los, Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang; So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch, Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn. Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin
Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon Dämonen an den Zipfeln, möchten gern Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst, Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor, Es trägt dich über alles Gemeine rasch Am Aether hin, so lange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier. (Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm vorüber.) Phorkyas (nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt in’s Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht). Noch immer glücklich aufgefunden! Die Flamme freilich ist verschwunden, Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug Poeten einzuweihen, Zu stiften Gild- und Handwerksneid. Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg’ ich wenigstens das Kleid. Panthalis. Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los, Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang; So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch, Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn. Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0257" n="245"/> Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon<lb/> Dämonen an den Zipfeln, möchten gern<lb/> Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!<lb/> Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst,<lb/> Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen<lb/> Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor,<lb/> Es trägt dich über alles Gemeine rasch<lb/> Am Aether hin, so lange du dauern kannst.<lb/> Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier.<lb/></p> <stage>(Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben<lb/> Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm<lb/> vorüber.)</stage><lb/> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas</hi> </speaker><lb/> <stage>(nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt<lb/> in’s Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht).</stage><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Noch immer glücklich aufgefunden!</l><lb/> <l rendition="#et">Die Flamme freilich ist verschwunden,</l><lb/> <l rendition="#et">Doch ist mir um die Welt nicht leid.</l><lb/> <l rendition="#et">Hier bleibt genug Poeten einzuweihen,</l><lb/> <l rendition="#et">Zu stiften Gild- und Handwerksneid.</l><lb/> <l rendition="#et">Und kann ich die Talente nicht verleihen,</l><lb/> <l rendition="#et">Verborg’ ich wenigstens das Kleid.</l><lb/> </lg> <stage>(Sie setzt sich im Proscenium an eine Säule nieder).</stage><lb/> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Panthalis.</hi> </speaker><lb/> <p>Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,<lb/> Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang;<lb/> So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch,<lb/> Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn.<lb/> Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [245/0257]
Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon
Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!
Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst,
Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen
Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor,
Es trägt dich über alles Gemeine rasch
Am Aether hin, so lange du dauern kannst.
Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier.
(Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben
Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm
vorüber.)
Phorkyas
(nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt
in’s Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht).
Noch immer glücklich aufgefunden!
Die Flamme freilich ist verschwunden,
Doch ist mir um die Welt nicht leid.
Hier bleibt genug Poeten einzuweihen,
Zu stiften Gild- und Handwerksneid.
Und kann ich die Talente nicht verleihen,
Verborg’ ich wenigstens das Kleid.
(Sie setzt sich im Proscenium an eine Säule nieder).
Panthalis.
Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,
Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang;
So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch,
Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn.
Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/257 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/257>, abgerufen am 16.02.2025. |