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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Helena.
Nicht zürnend, aber trauernd schreit' ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos't es um ihn her,
Den selbstverirrten, in's Vergeb'ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Unsel'ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orcus mich
Gerissen fühle, vaterländ'scher Flur zum Trutz.
Ist's wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich's? Werd' ich's künftig seyn,
Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.
Phorkyas.
Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
Du aber, hochbegünstigt, sonder Maß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Helena.
Entführte mich, ein zehenjährig schlankes Reh,
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.
Helena.
Nicht zürnend, aber trauernd schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orcus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s künftig seyn,
Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.
Phorkyas.
Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
Du aber, hochbegünstigt, sonder Maß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Helena.
Entführte mich, ein zehenjährig schlankes Reh,
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.
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[193/0205] Helena. Nicht zürnend, aber trauernd schreit’ ich zwischen euch, Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm! Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist. Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr In schnell vollbrachter That wohlstimmig ihm zurück, Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her, Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden. Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn, Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt, Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orcus mich Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz. Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift? War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s künftig seyn, Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden? Die Mädchen schaudern, aber du die älteste Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort. Phorkyas. Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt, Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum. Du aber, hochbegünstigt, sonder Maß und Ziel, In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige, Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art. Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt, Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann. Helena. Entführte mich, ein zehenjährig schlankes Reh, Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/205>, abgerufen am 01.05.2024.