Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie aber hinter drein nach Jahren
Das alles derb an eigner Haut erfahren,
Dann dünkeln sie, es käm' aus eignem Schopf;
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
Baccalaureus.
Ein Schelm vielleicht! - denn welcher Lehrer spricht
Die Wahrheit uns direct in's Angesicht?
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.
Mephistopheles.
Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
Zum Lehren seyd ihr, merk' ich, selbst bereit.
Seit manchen Monden, einigen Sonnen,
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.
Baccalaureus.
Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
Gesteht! was man von je gewußt
Es ist durchaus nicht wissenswürdig.
Mephistopheles (nach einer Pause).
Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,
Nun komm' ich mir recht schaal und albern vor.
Baccalaureus.
Das freut mich sehr! Da hör' ich doch Verstand;
Der erste Greis, den ich vernünftig fand!
Mephistopheles.
Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
Und schauerliche Kohlen trug ich fort.
Sie aber hinter drein nach Jahren
Das alles derb an eigner Haut erfahren,
Dann dünkeln sie, es käm’ aus eignem Schopf;
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
Baccalaureus.
Ein Schelm vielleicht! – denn welcher Lehrer spricht
Die Wahrheit uns direct in’s Angesicht?
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.
Mephistopheles.
Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
Zum Lehren seyd ihr, merk’ ich, selbst bereit.
Seit manchen Monden, einigen Sonnen,
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.
Baccalaureus.
Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
Gesteht! was man von je gewußt
Es ist durchaus nicht wissenswürdig.
Mephistopheles (nach einer Pause).
Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,
Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor.
Baccalaureus.
Das freut mich sehr! Da hör’ ich doch Verstand;
Der erste Greis, den ich vernünftig fand!
Mephistopheles.
Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
Und schauerliche Kohlen trug ich fort.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0112" n="100"/>
Sie aber hinter drein nach Jahren<lb/>
Das alles derb an eigner Haut erfahren,<lb/>
Dann dünkeln sie, es käm&#x2019; aus eignem Schopf;<lb/>
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Baccalaureus.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ein Schelm vielleicht! &#x2013; denn welcher Lehrer spricht<lb/>
Die Wahrheit uns direct in&#x2019;s Angesicht?<lb/>
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,<lb/>
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;<lb/>
Zum Lehren seyd ihr, merk&#x2019; ich, selbst bereit.<lb/>
Seit manchen Monden, einigen Sonnen,<lb/>
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Baccalaureus.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Erfahrungswesen! Schaum und Dust!<lb/>
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.<lb/>
Gesteht! was man von je gewußt<lb/>
Es ist durchaus nicht wissenswürdig.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles</hi> </speaker>
            <stage>(nach einer Pause).</stage><lb/>
            <p>Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,<lb/>
Nun komm&#x2019; ich mir recht schaal und albern vor.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Baccalaureus.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Das freut mich sehr! Da hör&#x2019; ich doch Verstand;<lb/>
Der erste Greis, den ich vernünftig fand!<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,<lb/>
Und schauerliche Kohlen trug ich fort.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0112] Sie aber hinter drein nach Jahren Das alles derb an eigner Haut erfahren, Dann dünkeln sie, es käm’ aus eignem Schopf; Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf. Baccalaureus. Ein Schelm vielleicht! – denn welcher Lehrer spricht Die Wahrheit uns direct in’s Angesicht? Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern, Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern. Mephistopheles. Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit; Zum Lehren seyd ihr, merk’ ich, selbst bereit. Seit manchen Monden, einigen Sonnen, Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen. Baccalaureus. Erfahrungswesen! Schaum und Dust! Und mit dem Geist nicht ebenbürtig. Gesteht! was man von je gewußt Es ist durchaus nicht wissenswürdig. Mephistopheles (nach einer Pause). Mich däucht es längst. Ich war ein Thor, Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor. Baccalaureus. Das freut mich sehr! Da hör’ ich doch Verstand; Der erste Greis, den ich vernünftig fand! Mephistopheles. Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze, Und schauerliche Kohlen trug ich fort.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/112
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/112>, abgerufen am 27.04.2024.